Ich bin Langschläferin. Das weiß inzwischen mein ganzer Familien- und Freundeskreis. Ein ganz früherer Ex, ausgehendes 20. Jahrhundert, nannte mich immer Schlafhaubitze. Meine Enkel-Zwillinge A. & A., ein entzückendes Pärchen, nannten mich seinerzeit, als sie noch nicht Herrscher über alle Buchstaben waren: Sie Lafmütze bzw. er Slafmütze.
Also, wie gesagt, alle wissen es, die es wissen müssen. Nur nicht unser Gartenrotschwänzchen. Mei, sooo liab! Als ich es voriges Jahr zum ersten Mal sah, war ich regelrecht entzückt. Als ich es heuer im Frühjahr, sehr früh, zum ersten Mal hörte, war ich entsetzt. Vorerst wusste ich aber noch lange nicht, wer sich hinter diesem furchtbar durchdringenden, lang anhaltenden, ständig sich wiederholenden, grellen Mißton verbirgt. Das weiß ich erst seit ca. 24 Stunden sicher.
Kurz vor der Abreise der Kinder, die ich gestern beschrieben habe, saßen wir noch auf der Terrasse zusammen. Meine Schwiegerstieftochter erblickte das entzückende „Teil“ mit rotem Bauch, schwarz und weiß am Kopf, wirklich fesch, da gibt’s eh nix, in meiner Hängebirke (Hennebirke laut Enkelchen A.)
Und wo Schwiestieto ist, ist Google nicht weit. Sie öffnet die Vogel-App und da liegt sie schon auf der Hand, im wahrsten Sinne des Wortes. Die volle Info über den GartenrotSCHWANZ! Das süßliche –chen hab ich ihm aberkannt. Warum ich mir so sicher bin, dass es der Gartenrotschwanz ist, der mich allmorgendlich plagt? Weil die App natürlich auch die Vogelstimmen brühwarm mitliefert. Als M., so heißt meine Schwiegertochter, auf das Pfeilchen drückte, zuckte ich sofort zusammen. Er war es, eindeutig. Dieser kleine Hundling!
In seinem Buch „Darwin in der Stadt“ schreibt ein gewisser Menno Schilthuizen, Professor für Evolutionsbiologie an der Universität Leiden (heute in der „Kleinen Zeitung“ nachzulesen, aber auch hier bei mir): „Fuchs, Wildschwein und Waschbär sind längst in den Vororten von Metropolen wie Berlin angekommen. Der Waschbär Alex bewohnte sogar mehrere Jahre ein Parkhaus am Alexanderplatz in Berlin Mitte. Der Birkenspanner, ein Schmetterling, hatte vor 150 Jahren noch weiße Flügel, die mit der Industrialisierung und zunehmenden Luftverschmutzung stetig dunkler werden.“ Ein evolutionärer Anpassungsmechanismus, wie ich ihn von meiner Wohnung her auch kenne.
In Paternion (Betonung auf dem o), Luftlinie nicht viel weiter entfernt als Heather „The Schlampe“ Mills‘ Heustadel, wurden heuer schon 4 ausgesetzte Riesenschlangen gefunden, eine 2m lange aggressive Boa constrictor und drei Königspythons. „Immer wieder ruft jemand an, weil von irgend einem Baum eine exotische Schlange herunterhängt“, sagt Frau Happ vom gleichnamigen Reptilienzoo in Klagenfurt. 47 waren es 2018. Und das Jahr 2019 ist noch relativ jung.
Also, lieber Gartenrotschwanz, ich verleihe dir feierlich wieder das –chen und will mich, so gut ich kann, über dich freuen. Aber bitte nicht sooo früh! Danke für dein Verständnis.
© 2019-08-12