von Ulrike Sammer
Hüttenberg mit dem riesigen Lingkor und dem Heinrich-Harrer-Haus wird vermutlich vielen Menschen weltweit bekannt sein. Seit dem Film mit Brad Pitt kennen sie die abenteuerliche Geschichte vom berühmten Bergsteiger Heinrich Harrer (+ 2006) und seiner Freundschaft mit dem Dalai Lama. Harrer war 1946 nach Lhasa gekommen und wurde zu einem Berater und Lehrer des jungen Tendzin Gyatsho, des XIV. Dalai Lama, mit dem er sein Leben lang verbunden blieb. Über seine Zeit in Tibet schrieb Harrer später das Buch „Sieben Jahre in Tibet“. 1992 weihte Tendzin Gyatsho selbst den buddhistischen Gebetsraum ein, der sich im Gebäude des Museums befindet.
Das Museum zeigt einerseits 4000 Exponate aus Harrers Leben als Bergsteiger, sowie anderseits von seinen Aufenthalten und Forschungsreisen in Asien, Südamerika und Afrika. Eine Ausstellung zeigt auch die Unterdrückung der Tibeter seit dem Tibetaufstand von 1959, die Verletzungen der Menschenrechte, sowie die Zerstörung der tibetischen Kultur und Klöster.
Besonders beeindruckt waren mein Mann und ich aber von dem riesigen Lingkor, einem tibetischen Pilgerpfad. Er ist in die Felswand gegenüber dem Heinrich-Harrer-Museum gebaut. Der Name bezieht sich auf den Lingkhor in Lhasa, den Pilgerweg um die Stadt. Der frei zugängliche Lingkor lädt zum Kennenlernen tibetischer Kultur ein. Er führt an zahlreichen sakralen Kleinbauten entlang. Die korrekte Wanderung erfolgt im Uhrzeigersinn. Der Pfad selbst besteht zum Großteil aus einer Stahl-Stiegenanlage und führt bergaufwärts. Auf der Felswand sieht man ein riesiges Bild mit mehreren Buddhadarstellungen, das umrundet werden soll.
Kaum bekannt ist aber eine ganz besondere Kirche auf dem gegenüberliegenden Berg auf 1150 m: Maria Waitschach. Eine riesige Wallfahrtskirche (1450) ist hier in einsamer Umgebung (in der Nähe gibt es nur 25 Bewohner)! Wie passt das zusammen?
Vermutlich steht die Kirche auf einem geomantisch besonderen Platz, einem Bergheiligtum. Neben der besonders schönen gotischen Kirche mit einem außergewöhnlichen Turm steht ein romanischer Karner. Das wuchtige Untergewölbe ist bis oben mit Gebeinen und Totenschädeln gefüllt.
Freunde vorchristlicher Kultstätten werden die Vermutung, sich auf einem heiligen Platz (möglicherweise einer Sonnenkultstätte) zu befinden, bald bestätigt finden: Zum ersten befindet sich neben der Kirche eine mächtige Wanne, die aus dem gewachsenen Felsen gearbeitet wurde. Sie hat ein Ausmaß von 2 mal 2 m und weist eine Abflussrinne auf. Auch hier fragt man sich, wie sie rituell genutzt wurde. Außerdem befindet sich an der Ostwand der Kirchenmauer ein behauener Fels, der mit 3 Kreuzen versehen wurde. Wir wissen, dass derartige Darstellungen häufig in früchristlichen Zeiten (und auch danach) an Stellen angebracht wurden, wo alte Götter und Geistwesen gebannt werden sollten oder heidnische Kulte durch das Christentum unterbrochen wurden.
© Ulrike Sammer 2021-09-14