Bunte Echsen am Wegesrand

Gabriele_Krele-Art

von Gabriele_Krele-Art

Story

Nahe der österreichisch-tschechischen Grenze liegt, versteckt im Wald westlich von Mitterretzbach, der Campingplatz Hubertus. Hier wollen wir den 4. Tag unseres Urlaubs verbringen, bevor wir nach Deutschland weiterreisen. Es ist Mittagszeit. Eine Singdrossel hüpft um unser mobiles Heim. Sie lässt sich bei ihrer Futtersuche nicht stören. Wir begnügen uns mit einer schnell zubereiteten Zwiebelsuppe, in die Pastareste vom Vortag hervorragend passen. Ein Kaiserschmarrn mit Mangokompott ist Haupt- und Nachspeise zugleich. Derart gestärkt ziehen wir los. Hinter dem Campingplatz beginnt eine ausgedehnte Waldlandschaft, die in den Nationalpark Thayatal übergeht. Den Fotoapparat mit dem Teleobjektiv nehme ich mit, das schwerere Makroobjektiv lasse ich zurück. Die Strahlen der Nachmittagssonne werfen ein warmes Licht auf den Waldweg, der anfangs asphaltiert ist, später in einen weichen Waldboden übergeht. Die Mönchsgrasmücken schwätzen unentwegt. Sie machen mir das Erkennen der Vögel schwer, weil sie Laute anderer Vögel imitieren. Den Zilpzalp aber kann ich hören. Sein Name ist Programm. Der Weg schlängelt sich mit geringer Steigung bergauf. Plötzlich deutet mir mein Mann anzuhalten. Ich halte nicht nur den Schritt, sondern gleich den Atem an. Vor uns wärmen sich zwei Smaragdeidechsen auf dem Asphalt. Der Kopf des Männchens leuchtet türkisblau in der Sonne. Das Weibchen streckt nur zögerlich seinen Kopf aus dem Gras. Ich zoome diese wunderschönen Reptilien heran. Der angrenzende, aufgelassene Steinbruch ist wohl ihr Zuhause.

Nach einer Stunde Marsch machen wir kehrt. Beim gemächlichen Bergabgehen lasse ich meine Blicke über den Wegesrand schweifen. Waren mir die weiß blühenden Wiesenkerbel beim Anstieg nicht aufgefallen? Ich beuge mich über ihre Doldenblüten. Zahlreiche Schwebfliegen umschwirren die kleinen Blütenblätter. Eine sieht aus wie eine Hummel. Die Hummel-Waldschwebfliege sieht dem Original verblüffend ähnlich. Mit diesem Trick täuscht auch der Wespenbock Gefährlichkeit vor. Er hat es auf der Nachbarpflanze eilig. Die zarte Kamelhalsfliege steckt in der Kerbelblüte und spielt Verstecken mit mir. Spätestens jetzt bedauere ich, dass ich mein Makroobjektiv nicht zur Hand habe. Mit dem Handy gelingen manche Fotos sehr zufriedenstellend, doch nur, wenn das begehrte Objekt stillhält. Gerade das tut die Kamelhalsfliege im Moment nicht.

Mein Mann ist es gewohnt, dass Spaziergänge mit mir manchmal länger dauern. Heute mute ich ihm das Warten nicht zu und schicke ihn schon voraus. Mein Entdecken aber geht weiter. Der Rotköpfige und der Scharlachrote Feuerkäfer leuchten aus den weißen Blüten. Das Schillern des violettblauen Veilchenbocks kann man nicht übersehen, eher schon die als Vogelkot getarnte Raupe des C-Falters. Auf einer anderen Dolde labt sich der Purpurrote Schnellkäfer. Ich versuche, auch von ihm mit dem Handy ein scharfes Bild zu erzielen. Da hebt er seine roten, gerillten Deckflügel, entfaltet seine hinteren Flügel und setzt zum Abflug an. Was für ein glücklicher Zufall, wenn man genau in diesem Moment auf den Auslöser drückt.

Mit einer Stunde Verspätung komme auch ich wieder beim Campingplatz an. Reichlich beschenkt.

© Gabriele_Krele-Art 2023-06-01

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Romane & Erzählungen
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Abenteuerlich, Informativ
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