Bunte Ernährung

Florian Hauenschild

von Florian Hauenschild

Story

Meine Freundin Elke und ich knotzen auf der Couch und quatschen. Sie erzählt mir, dass sie meine U-Bahn Story gelesen hat und sehr lustig fand. Außerdem wurde sie dadurch an eine Episode ihrer Studienzeit in Wien erinnert.

Eines Sommerabends fuhr sie mit dem Zug zurück in die Hauptstadt. Vom Westbahnhof aus mit der U-Bahn Richtung Floridsdorf, wo sie damals wohnte. Da es sehr heiß war, war der Waggon fast leer. Offensichtlich hatten die Wiener an diesem Tag etwas Besseres zu tun, als in der überhitzten U-Bahn herumzugondeln. So saß sie alleine und erwartete sehnsüchtig die Ankunft an der Zielstation. An einer Station stieg dann ein Typ zu und setzte sich, obwohl alle anderen Plätze frei waren, ihr direkt gegenüber.

“Er war nicht abgefuckt oder ein Sandler, aber irgendwie total komisch”, erzählt Elke. Dann hat er in seine Jackentasche gegriffen und ein Staberl herausgezogen. Sie meinte erst, dass es sich um eine E-Zigarette handelte. Aber bei genauerer Betrachtung stellte sich das Ding als Filzstift heraus. Der dubiose Kerl zupfte dann die Kappe vom Stift, betrachtete diesen und begann dann daran zu lutschen.

“Ich hab geglaubt, ich spinn!”, sagt Elke und starrt mich mit großen Augen an. Aber dem nicht genug. Irgendwann begann er dann darauf zu kauen und schlussendlich ein Stück abzubeißen. Nach kurzer Zeit Verkostungszeit schluckte er das Stiftstück hinunter und zutzelte das nächste Stück heraus.

Elke stoppt hier ihre Erzählung und ich merke, dass sich diese abstruse Geschichte vor ihrem inneren Auge deutlich abspielt. “Und was ist dann passiert?”, will ich wissen.

Er hat einfach weitergemacht. Gezutzelt, gekaut, geschluckt. “Es war übrigens ein gelber Stift und einer von dem billigen Klumpert vom Hofer. Kein gscheiter Jolly-Stift“, erläutert sie geistesabwesend. Als die U-Bahn dann an ihrer Station ankam, stieg der Typ mit ihr aus. Eigentlich wollte sie schnell weitergehen, aber sie konnte dann doch nicht anders, als den Stiftefresser auf seinem weiteren Weg zu beobachten. Der steckte sich den ausgefressenen Stift in den Mundwinkel wie einen Zigarillo. Dann ging er im Clint Eastwood Stil mit einem mundvoll Buntstift in den flimmernden Sonnenuntergang.

Dann blickte Elke einige Zeit ins Leere. Sie schaut dem Typen noch einmal nach. Dann merkt sie, dass ich sie beobachte und beginnt laut zu lachen; “Das war so arg. Und deine Story hat mich da total dran erinnert.”

Danach reden wir wieder über andere Dinge. Ich muss dann weiter, treffe mich mit meinem Freund Gatti noch in Amstetten zu einem Fußballspiel. Ich bekomme, trotz eines spannenden Spiels, diese Geschichte nicht aus dem Kopf und versuche mir so viel wie möglich zu merken, um daraus diese Story zu machen.

Irgendwie hat dieser Typ mit “bunt essen, heißt gesund ernähren” etwas total falsch verstanden. Ich beobachte nun seit einiger Zeit den Edding, der auf meinem Tisch liegt. Werde mir jetzt aber doch eher einen Apfel holen. Das ist, glaube ich, die bessere Wahl.

© Florian Hauenschild 2021-10-02

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