Bus fahren

Laura Schäffner

von Laura Schäffner

Story

„¿Que tal el pescado? – Wie schmeckt der Fisch?“

Die weiche Stimme klingt aus dem In-Ear-Kopfhörer in Pascals linkes Ohr.

„Sonst muss ich mein Ticket nie zeigen!“ Das ist die schnarrende Stimme, die sein rechtes Ohr abbekommt.

Natürlich haben die Typen gar keine Tickets, das ist ihm schon klar. Er hätte einfach die hintere Tür aufmachen sollen, dann würden sie zwar schwarz fahren, aber er würde es nicht wissen und müsste jetzt nicht diskutieren. Aber gegen alte Gewohnheiten macht man so spontan nichts, er macht immer nur die vordere Tür auf für den Einstieg. Und jetzt ist es zu spät.

Es ist Pascals letzte Fahrt für heute. Noch einmal rein in die Stadt und dann ab zum Betriebshof. Nach zwölf Uhr übernehmen dann sowieso die Nachtbusse. Pascal möchte einfach nur in Ruhe der Stimme in seinem linken Ohr lauschen, bis seine Schicht zu Ende ist und dann nach Hause. Natürlich ist es nicht ganz so effektiv, wenn er die Sätze nicht laut nachspricht, sondern sie nur anhört. Aber er muss dringend an seiner Aussprache arbeiten. Marisol zuckt jedes Mal zusammen, wenn er mal wieder versucht zum Beispiel das „ll“ zu sprechen. Und natürlich will er, dass Marisol zuckt, aber wenn es nach ihm geht natürlich vor Vergnügen und nicht wegen seiner furchtbaren Aussprache.

„Muy bien, graçias. – Sehr gut, danke.“

„Kauft euch ein Ticket oder steigt wieder aus.“

Der zweite Kerl, offensichtlich schon mehr als nur angeheitert, drängt nach vorne. „Was soll der Scheiß? Willst du uns schikanieren? Uns kannst du nicht so hart rannehmen, wie die kleine Schlampe da!“ Er deutet auf das Mädchen ganz hinten am Fenster und lacht dreckig. Pascal wirft ihr einen Blick zu. Sie versucht so zu tun, als hätte sie nichts mitbekommen, aber er kann erkennen, wie sie rot anläuft, während sie hoch konzentriert aus dem Fenster starrt.

„He Pippa, bist du das?“, schreit der Kerl dem Mädchen zu.

„¿Puedo tener un cuchillo, por favor? – Kann ich bitte ein Messer haben?“

„Verpisst euch einfach!“, sagt Pascal. Der Betrunkene will weiter nach vorne, will zu dem Mädchen, aber sein Kumpel hält ihn zurück. Sagt leise etwas und sie verschwinden. Wahrscheinlich wollen sie so früh am Abend doch noch keine Anzeige riskieren, wer weiß, was der Abend noch bringt.

Pascal ist einfach nur erleichtert. Er schließt die Bustür und fährt los.

„Muchas graçias. – Vielen Dank.“


© Laura Schäffner 2023-05-23

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Romane & Erzählungen
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