von Franz Brunner
Ganz richtig, es gibt hier keinen Schweinsbraten, auf den Kapverdischen Inseln schaut die ErnĂ€hrung ganz anders aus. Es sei denn, man ist aus dem Mostviertel dorthin ausgewandert, hat einen Heimwehanfall und kocht ausnahmsweise aus Omas Kochbuch. Die Kapverdianer haben wenig Schwein, dafĂŒr ausgezeichneten Fisch und leckere Bananen im Ăberfluss. Stimmt nicht, die haben gar nichts im Ăberfluss, die meisten dieser groĂartigen Menschen kĂ€mpfen Tag fĂŒr Tag ums Ăberleben. Und trotzdem sind sie Ă€uĂerst gastfreundlich und groĂzĂŒgig.
Es war am Morgen des 26. Dezember 2014. Ein Weihnachtsfeiertag, der auf den Inseln vor und hinter dem Wind ganz besonders gewĂŒrdigt wird. Die Sonne strahlte feierlich in die gleichfalls strahlenden Gesichter der Einheimischen wie der Touristen. Die guten Geister am FrĂŒhstĂŒcksbuffet trugen ihre dunkelblauen Röcke und die natĂŒrlich ebenso strahlenden weiĂen Blusen, zeigten lĂ€chelnd ihre blendend weiĂen ZĂ€hne, die im Kontrast zu den schönen dunklen Gesichtern unwirklich wie in der Zahnpasta-Werbung wirkten. Marisa war besonders sympathisch und wunderschön dazu, sie war die Herrscherin ĂŒber das FrĂŒhstĂŒcksbuffet.
BestĂŒckt mit picksĂŒĂen Marmeladen von allerlei FrĂŒchten der Insel, ebenso sĂŒĂer Erdnussbutter und einem kleinen Bestand sehr salziger Butter. Von der knallroten Wurst unbekannter Herkunft gabâs einen Teller mit vermutlich abgezĂ€hlten dicken Scheiben. Dass die meist ĂŒbrigblieben, hatte wahrscheinlich mit der abschreckenden Farbe in Kombination mit dem sie umschwirrenden Fliegengeschwader zu tun. Und dann gabâs noch Bananen und Bananen und Bananen. Und nochmals Bananen. Die typischen kleinen Exemplare, wie es sie auf vielen Inseln des Atlantiks gibt. Klein, aber oho, viel leckerer als ihre groĂen Artgenossen aus der Karibik.
Ich war sehr frĂŒh dranâ wohl die ersten Anzeichen seniler Bettflucht â und konnte kein Brot entdecken. Na ja, ich kannâs abwarten, im Urlaub habe ich ja Zeit und ungewöhnlich viel Geduld. Marisa bewachte das Buffet â und lĂ€chelte. Nach etwa 10 Minuten wurde ich erstmals unruhig, nahm mir Erdnussbutter und zwei Bananen. Nach weiteren 10 Minuten wagte ich, die unaufhörlich lĂ€chelnde Marisa nach Brot zu fragen. Ihr LĂ€cheln wuchs bis hinter die Ohren, man konnte mit Leichtigkeit ihre 32 schneeweiĂen ZĂ€hne abzĂ€hlen. Dann stellte sie sich mit stolz geschwellter Brust hin und verkĂŒndete fĂŒr das Dutzend hungriger Touristen deutlich vernehmbar:
âThere is no bread today because of merry Christmas!â
Kein Mensch kann einem MĂ€dchen, das derartig charmant eine ErklĂ€rung abgibt, auch nur ansatzweise böse sein. Marisa hat das richtig gut gemacht. Die Fliegen machten sich mangels Konkurrenz weiterhin ĂŒber die knallrote Wurst her, wĂ€hrend unsereiner sich zusĂ€tzlich Bananen holte, um fingerdick Erdnussbutter drauf zu schmieren. Hier auf den Kapverden ist noch nie jemand wegen Unterzuckerung gestorben. Nicht zuletzt deshalb werden wir wiederkommen.
© Franz Brunner 2022-09-23