Café au lit #3/3

Jürgen Artmann

von Jürgen Artmann

Story

Eine ihrer Hautcremes riecht nach Kokos, eine andere nach Propolis, eine dritte nach Sanddorn. Der fair gehandelte Öko-Kaffee kommt aus einer biologisch abbaubaren Kapsel. Ein mittelkräftiger Arabica mit etwas Säure.

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Der Kaffee in deiner deutschen Wohnung riecht frisch gemahlen. Automatisch im Mahlwerk deines Vollautomaten. Eine Kaffeehaus-Mischung einer lokalen Rösterei.

Du freust dich über den gestrigen Besuch von Tilda und dass sie noch zum Frühstückskaffee geblieben ist. Die Menschen waren alle mit Getränken draußen und euch hat es auch auf den Friedberger Platz gezogen. Sie hat ein sommerliches, aber unaufdringliches Parfüm aufgetragen, leicht nach Limette duftend, nichts Schweres. Relativ starken roten Lippenstift für ihre Verhältnisse. Sie küsst dich. Nach langer Zeit mal wieder mit Leidenschaft. Ihr wacht relativ früh wieder auf und das Frühstück ist ausgedehnt. Sie erzählt dir von ihren Abenteuern als erotische Instagramm-Best-Agerin und welche Fotografen sie bereits für ein Shooting angefragt haben. Klingt tatsächlich aufregend und du freust dich für sie.

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Der Café in deiner französischen Wohnung riecht frisch gemahlen. Mit einer alten Moulinex Baujahr 1970 mahlst du die Fair-Trade-Bohnen selber und brühst klassisch auf. Ein schönes Ritual, das dich zwanzig Minuten kostet und das du in vollen Zügen genießt. Besser als meditieren. Viel besser als der stark gesüßte Cappuccino im Starbucks auf dem Place Kléber. Für deinen Selbstgebrühten stehst du deutlich vor deinem ersten Online-Meeting auf. Seit Corona fragt dich keiner mehr, warum du deine Meetings remote von Strasbourg aus machst.

“Wo kommt denn die Kapselmaschine her, Leon?”

“Axel hat sie gekauft, als er mich vor zwei Wochen in Strasbourg besucht hat, und sie hiergelassen.”

Mist. Jetzt steht da dieses Ding. Mein schönes Ritual mit dem morgendlichen Frisch-mahlen ist in Gefahr.

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Die Frühstücksräume Münchner Hotels haben nicht das Flair der Verkaufsräume in der Werbung mit dem traditionellen Kaffeehaus.

“Frühstückst du noch mit, Eve?”

“Ja, gerne. Wenn ich schon mal in so einem schönen Hotel bin, möchte ich das Buffet auch nutzen. Danke übrigens für die Einladung.”

Klar doch, du hattest in weiser Voraussicht schon mal ein Doppelzimmer gebucht. Frühstück gibt’s unten neben der Lobby. Schnell noch duschen und dann runter.

“Wie klappt das denn mit deinen Frauen?”

“Ach, ganz gut. Eine von ihnen ist halt manchmal traurig. Aber es geht. Tolles Tattoo hast du auf dem Rücken, Eve. Artemis passt zu dir. Ich melde mich wieder, wenn ich wieder in München bin, okay?”

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Beim Umzug aus der kleinen Kurstadt nach Frankfurt fällt dir dein alter Weltatlas aus der Schule in die Hände. Kaffee geht immer, zu zweit und im Bett schmeckt er besser. Wo das steht ist ganz egal.

© Jürgen Artmann 2022-05-29

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