Cake-Smash!

Judith Lahfeld

von Judith Lahfeld

Story

Gibt es etwas Absurderes, als kleine Kinder, die Zuhause eigentlich noch gar keinen Zucker essen dürfen aber ihr Gesicht von oben bis unten, forciert von der Mutter, mit Buttercreme beschmiert ist? Okay, vielleicht sind Katzen in albernen Piratenkostümen noch absurder. Dennoch. Wenn Kinder in den sozialen Medien Geburtstag haben, dann bricht die Hölle aus. Gefolgt von oft vollkommen übertriebenen Babypartys kommen sogenannte Cake-Smash-Partys. Die Eltern setzten dort ihre Kinder in einem Fotostudio vor 400 Euro-teure Torten, die wir uns nicht einmal zur eigenen Hochzeit geleistet haben. Dann werden die Sprösse dabei abgelichtet, wie sie fasziniert von der Textur in süßen Klamotten die Torte zermatschen. Es gibt verzückte „Ohs“ und „Ahs“ und bebenden Applaus, wenn das Einjährige sich zum Ende noch ein Stück von dem süßen Zeug in den Mund steckt. Ja, das gibt es wirklich!

Bei einer Geburt wird nicht nur das Kind geboren, sondern auch eine Mutter und ein Vater. Das ist etwas, was viele Menschen oft vergessen. Die Geburt des eigenen Kindes ist ohne Frage eines der prägendsten Ereignisse unseres Lebens. Was aber in der westlichen Welt sehr einseitig ist, ist der Fokus, der fast ausschließlich auf das Kind gelegt wird. Selbstverständlich wird gratuliert. Zum Baby, zur Geburt und zur vollbrachten Meisterleistung. Trotzdem stürzen sich von dieser Sekunden an alle nur noch auf das kleine zarte Wesen, welches ab nun unseren gesamten Kosmos ausfüllt. Es gibt haufenweise Geschenke. Windeltorten, Strampler, Babycremes und Rasseln. Nur wenige Gäste bringen eine Aufmerksamkeit für die Mama mit. Die Mutter hat ihre Arbeit getan und jeder möchte nun das nach Liebe duftende Baby halten. Wann hält aber mal jemand die Mutter?

Der erste Geburtstag des eigenen Kindes ist selbstverständlich etwas ganz Besonderes. Ich erinnere mich noch genau daran, wie in den Tagen davor das ein oder andere Tränchen bei mir kullerte und ich verzückt durch meine Onedrive-Bibliothek scrollte. Ebenfalls mit „Ohs“ und „Ahs“ kommentiert bestaunte ich verliebt das von mir erschaffene Wunder, welches sich nun langsam autark in unserer Wohnung vorwärts bewegte. Natürlich wollte ich auch feiern. Also lud ich zum ersten Geburtstag meiner Tochter all meine Mama-Freundinnen samt Anhang und Kindern zu uns nach Hause ein. Es gab Kuchen, Kaffee und jede Menge Lärm. Spiele spielen mit Einjährigen war natürlich noch nicht möglich. So war es also eher ein wildes Herumgewusel, Lachen, Heulen und Windeln wechseln, welches den Tag dominierte. Schön war es trotzdem. Aber eigentlich genauso unnötig, wie die ganzen Cake-Smash-Torten, um die es mir jedes Mal sehr leid tut. Denn als frisch gebackene einjährige Mama hätte ich mir doch eigentlich das größte Stück der Torte verdient. Lass dich feiern, Mutti. Jedes Jahr wieder. Nicht nur dein Kind hat Geburtstag, sondern auch du. Denn du kannst verdammt stolz auf dich sein und auf das, was du Jahr für Jahr leistest.

© Judith Lahfeld 2022-09-20

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