Calling Elvis auf der Bettkante?

Cornelia Morhardt

von Cornelia Morhardt

Story

Es war Anfang der 90er. Meine älteste Schwester arbeitete im Management eines Frankfurter Hotels. Ich war bei ihr zu Besuch.

Am Abend kam sie nach Hause und erzählte mir völlig entnervt von diesen „Rockertypen“, die mit ihrem, ich zitiere wörtlich: „zotteligen Gefolge“ grade alle Suiten der obersten Etage auf einmal gemietet hatten.

„Wer? Sag!“ fragte ich sensationslüstern. „Wer Bekanntes? Kenn ich die?“.

“Was weiß ich, wie die heißen.“ grummelte meine Schwester.

Sie war immer eine große Connaisseuse der klassischen Musik gewesen und es wunderte mich kein bisschen, dass es in ihrer Welt niemanden Bedeutendes gab, der keine Virtuosität auf Violine oder Oboe vorwies.

„Jedenfalls haben die mich heute den letzten Nerv gekostet.“ stöhnte sie, ließ die Pumps von den Füßen fallen und sich auf die Couch.

Ich wollte jetzt alles wissen, vor allem, wer sie so aus der Fassung gebracht hatte und hockte mich erwartungsvoll vor sie auf den Teppichboden.

“Zig mal haben die aus der 1401 jemanden raufzitiert, um die Fernbedienung zu erklären. Und jedes mal wieder. Sie würden es nicht schaffen, das Programm zu wechseln. Oder das Bild einzustellen, den Ton… andauernd was anderes! Concierge oben gewesen. Hausdamen oben gewesen, Techniker mehrmals oben gewesen…“

“Und?“

“Die Mitarbeiter haben mir gesagt, das sei eine amerikanische Band. Die treten dieser Tage wohl hier auf. Das ganze Personal ist aus dem Häuschen. Aber beim nächsten Anruf bin ich dann selbst hoch!“

“Ja und? Wer? Jetzt sag schon!“

“Ach, keine Ahnung. Irgendwas mit >>street<< oder so ähnlich. Naja, jedenfalls, als ich hoch kam, saß da so eine (wörtlich, ich schwöre es:) dürre, blonde, verzottelte Halbglatze auf dem Bett und drückte auf der Fernbedienung vom Schlafzimmer-Fernseher rum. Hatte alles mögliche verstellt, bis wieder nichts mehr ging. Ich hab mich dann zu dieser Type auf die Bettkante gesetzt und ihm mit Engelsgeduld die Fernbedienung nochmal erklärt. Und dann hab ich ihm gesagt, dass das jetzt das letzte Mal ist, dass hier jemand die TV-Einstellungen vornimmt.“

Ich kriegte einen Geistesblitz: „Du meinst aber nicht etwa die Dire Straits? Die sind bei Euch im Haus?“

“Kann schon sein. Schau mal in meiner Handtasche nach, da sind Karten. Die kannst haben. Die hat er mir geschenkt. Meinte, er sei der Chef. Mir ging dann erst recht der Gaul durch. Ich musste einfach loswerden, dass man als Musiker mit so einem Hofstaat voller Tontechniker und was weiß ich was für elektronischem Sound-Equipment wohl mit einer simplen TV-Fernbedienung fertig werden sollte.“

Ich sprang sofort auf und kramte aus der Handtasche meiner Schwester zwei Dire Straits Konzertkarten hervor.

„Du hast jetzt aber nicht etwa mit Mark Knopfler auf der Bettkante gesessen und ihn angepfiffen?“

„Keine Ahnung. Wäre das wer Wichtiges!?“

Ich liebte meine Schwester! Noch mehr als ohnehin!

© Cornelia Morhardt 2020-06-14

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