Campen

WANABE

von WANABE

Story

Vor elf Jahren haben wir unseren ersten Campingbus gekauft. Ein alter Fiat Ducato, der schon viel herumgekommen war. Schweren Herzens wurde er von dem alten Ehepaar weggegeben, aber unsere Freude darüber hat ihnen den Abschied erleichtert. Ein Bett und ein paar Kästchen für Kleidung, ein Liegeplätzchen für Hund Beppo und so fuhren wir herum. An vielen Wochenenden zu unseren Orientierungs Mountainbike Rennen und ab und zu ein paar Tage nach Kroatien. Unsere Übernachtungsplätze mussten ein WC und Dusche haben – mehr nicht.

Dann rüsteten wir auf ein altes Wohnmobil mit kleiner Nasszelle auf um autark Norwegen und Schweden bereisen zu können und genossen dort einsame Stellplätze im Wald. Bei mir löst diese Art des Reisens jedes Mal ein unheimliches Glücksgefühl aus. Nachdem meine Oma aus einer Roma-Familie stammt, liegt es mir vermutlich im Blut. Wir bevorzugen in jedem Fall Stellplätze, die keine Infrastruktur haben. Wir benötigen keinen Swimmingpool und keinen Wellnessbereich. Wir haben in all den Jahren auf Reisen nur einmal eine Waschmaschine mit Trockner benützt, als zu fürchten war, dass unsere vom Dauerregen triefend nassen Hosen im Camper den Schimmeltod erleiden könnten.

Zu Coronazeiten sind wir auf einen Campingvan mit Photovoltaik umgestiegen, um noch autonomer zu sein. Er ist auch wendiger im Verkehr und auf Passstraßen, die wir besonders mögen. Heuer haben wir uns entschieden Südtirol unsicher zu machen. Gelandet sind wir in der wundervollen Kaltererseegegend. Die erste Nacht verbrachten wir widerrechtlich auf einem Parkplatz, da alle Camping- und Stellplätze voll waren. Am nächsten Tag hatten wir Glück und ergatterten einen letzten Platz.

Das Camp ist wunderschön und es gibt zahlreiche Mountainbikestrecken, die wir uns nicht entgehen lassen wollen.Aber der Platz gibt mir sehr zu denken. Wir waren noch nie in einem Camp mit so vielen Morelo Palace Linern. Luxus LKWs oder Glampingriesen sind das. Eines parkt am Weg zur Toilette und aufgrund der Höhe hat man das Gefühl an einem Hochhaus vorbeizugehen.

Für mich ist das doch etwas befremdlich. So wie wir vermutlich mit unserem Fahrzeug einem Zeltcamper oder Bullycamper sauer aufstoßen. Aber dennoch stellt sich für mich die Frage warum die offensichtlich sehr begüterten Urlauber nicht wie eh und je unter sich im Luxushotel urlauben.Mit unserem praktisch legeren Dresscode fühlt es sich schon eigenartig an neben all den Markenpolos mit aufgestelltem Kragen und den passenden hochpreisigen Shorts die Tage zu verbringen.Wir sind hier die einzigen Österreicher zwischen mehr als 70 Deutschen. Wenn ich nicht wüsste, dass es im Nachbarland auch Hartz 4 Empfänger gibt, ich würde es nicht annehmen.Eigentlich sehr schade, dass so wunderschöne Gegenden dem unglamourösen Campern wie uns keine schlichten Plätze anbieten. Das finden die Morelloglamper vermutlich auch. Also haben wir doch etwas gemeinsam.

Foto – Übernachtungplatz in Norwegen

© WANABE 2022-09-14