Auf der Suche nach ein bisschen Wärme gehe ich heute spazieren. Ein leises Rauschen ausgeblichener Blätter im Wind begrüßt mich, als ich den Park betrete, den ich schon seit meiner Anfangszeit im Gymnasium kenne. Ich muss zehn Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal mit meiner Mutter daran vorbeigegangen bin. Belebter, etwas leichter muss mein Gang gewesen sein, es war damals schließlich bedeutend wärmer und ich war auch noch ein Kind. Wenig später würde ich dann am Heimweg den Umweg durch den Park nehmen, einfach so, ohne einen Grund zu haben oder ihn zu brauchen.
Der staubige Parkboden weiß, wie sich die Sohlen meiner Lieblingssneakers anfühlten, die ich stets getragen habe, als ich in der ersten Klasse war. Die Unterseite jener Ballerinas, an die ich mich mit vierzehn geklammert habe, mich sehnend nach einer tänzerischen Grazie, die ich nie besaß, und in tiefer Scham über meine aufgeschlagenen Knie. Und auch die Stiefel, von denen ich mit siebzehn Jahren nicht ablassen konnte und deren hohe Absätze ich heute mit einer gewissen Ehrfurcht betrachte, kennt der Boden dieses Parks.
Nun bin ich schon ewig nicht mehr hier gewesen, abgerissene Kalenderblätter bedecken den Sand, in welchem einst mein Name geschrieben stand – doch wenn der Wind sie fortträgt, bin ich dann eine Fremde hier? Bin ich noch willkommen, wenn die Bäume neue Blätter tragen, die mein Gesicht nicht kennen? Wenn ich jeden Ruf meiner alten Geister totgeschwiegen, wenn ich in jede weiße Wäsche klammheimlich ein schwarzes Kleidungsstück hineingeworfen habe, in der Hoffnung, meinem Leben mehr Farbe zu verleihen – wird mir der Park im Frühling noch zeigen wollen, was Licht ist?
Er kennt jeden meiner Schritte, doch wird er mir verzeihen, dass ich ihn mit Füßen getreten habe?
Gedankenverloren beiße ich mir auf die Lippen und bereue es augenblicklich, als ich merke, wie ausgetrocknet sie sind. Ich spüre das Brennen, das wie eine Zauberkerze neu aufflammt, wenn ich meinen Mund bewege, und fühle mich dabei wie ein Charakter in einem Trickfilm, dessen Wunsch vom listigen Flaschengeist fehlinterpretiert wurde. Als wollte ich vermeiden, dass mir schwindlig wird, senke langsam meinen Blick und vergrabe meinen Kopf tief in der Wolke, die aus meiner Nase und aus meinem Mund austritt.
Ich bin ein Gemälde, gezeichnet vom Herbst.
© Jasmina Cavkunovic 2020-10-19