Caretta caretta

Lorenz Graf

von Lorenz Graf

Story

Seit mehr als drei Wochen waren wir schon mit dem Wohnmobil in der Türkei unterwegs. Über die Route von Canakkale, Bursa und Konya kamen wir nach Kappadokien, wo wir uns längere Zeit aufhielten. Bis dahin waren wir gemeinsam unterwegs mit Freunden aus Gmunden und Holland. Hier trennten sich unsere Wege.

Meine Frau und ich fuhren Richtung Süden über Adana nach Anamur. Neben der mächtigen Burgruine „Mamure Castle“ aus dem 4. Jahrhundert lag ein ruhiger Campingplatz. Er hieß „Camping Paradies.“ Wir waren die einzigen Gäste und kamen uns wirklich vor wie im Paradies, umgeben von Oliven- und Orangenbäumen, Bananenstauden und vielen blühenden Sträuchern. Auf dem Areal war auch ein Gemüsegarten, aus dem wir vom Campingplatzbesitzer reichlich beschenkt wurden. Der Campingplatz lag auch direkt am Meer mit einem kilometerlangen einsamen breiten Sandstrand. Wir waren so überwältigt, dass wir spontan beschlossen, länger zu bleiben.

Wir „eroberten“ die riesige Burganlage, erfreuten uns täglich am frisch geernteten Obst und Gemüse, badeten im warmen Meer und genossen, am Strand liegend, die Ruhe und Abgeschiedenheit von aller Zivilisation. Dann lasen wir in einem Reiseführer, von den Schildkröten, die es hier geben soll und fanden tatsächlich auffallende Spuren im Sand. Sie erinnerten uns an die Abdrücke von großen Traktorrädern. Die könnten von Schildkröten stammen, hofften wir. Also ruhten wir am Tage, inklusive Mittagsschläfchen und wanderten nachts am Strand entlang. Und dann sahen wir sie, die große Karett-Schildkröte.

Mühsam schleppte sie sich aus dem Wasser und über den Sand. Eine kurze Verschnaufpause und dann begann sie zu graben. Mit kräftigen Schaufelbewegungen warf sie den Sand weg und grub so ein tiefes Loch. Sie ließ sich nicht beirren, wir verhielten uns ja auch ganz ruhig. Dann legte sie Eier, die wie Tischtennisbälle aussahen, eines nach dem anderen. Wir konnten daneben sitzen und alles genau sehen. Es müssen über hundert Eier gewesen sein, die sie in die Grube fallen ließ. Nach einer kleinen Ewigkeit entfesselte sie einen „Sandsturm“ mit ihren Beinen und bedeckte die Eier mit Sand. Langsam wendete sie und kroch, immer mit kleinen Pausen dazwischen, zurück zum Meer und verschwand im Wasser.

Wir waren so beeindruckt und meine Frau hat geweint vor Freude. Auch in den folgenden Nächten konnten wir das einmalige Schauspiel erleben. Und wir waren jedes Mal tief berührt.

Mich hat es sehr gefreut, dass am Tag ein junger Mann, ein Student, kam und über meine provisorisch angebrachten Markierungen aus langen Ästen, ein spezielles Metallgestell zum Schutz aufstellte.

Wir ließen unsere Wünsche dort, dass viele kleine Karett-Schildkröten (Caretta caretta) überleben mögen.

© Lorenz Graf 2020-03-13