Caspar

Andrea Weiss

von Andrea Weiss

Story

Die befreundete Familie P nimmt es mit dem Aufstellen ihrer Krippenfiguren ganz genau, die Heiligen 3 Könige kommen erst nach Neujahr dazu. Letztes Jahr durfte ich dieser Zeremonie zufällig beiwohnen und meinte Folgendes zu hören …

Oh, hallo allerseits … jetzt hab ich es tatsächlich auch noch herausgeschafft aus dem Karton. Heuer hab ich mir wirklich schon gedacht, sie übersehen mich unter der dicken Schicht Seidenpapier, die noch auf mir gelegen ist – wohl um mich vor “Reibereien” mit den Anderen zu beschützen?

Von wegen Reibereien, wenn dann hacken eh nur die auf mir herum – womit ich nicht die P’s meine. Aber damals … ich kann euch sagen!

Angefangen hat es ja damit, dass dieser Stern von Bethlehem die meiste Zeit hinter so einer blöden Wolke versteckt war, dass der Weg zu dem Stall soo klar auch wieder nicht war. Na gut, hab ich mich halt ein bissl verlaufen … na gut, bin ich halt ein bissl später gekommen als die beiden Anderen – das ist mir offenbar geblieben – aber diesmal, bittesehr, nicht von mir verschuldet! Das will ich betonen!

Aber nochmal zurück zu “damals”: Wie ich endlich beim Stall angekommen bin, hab ich schon gehört, wie sie tuscheln und blöde Sprüche reißen. “Was will denn der Mohrl da?”, “Is der in die Schuhcrem gfalln oder ghört der so?” … Nur beim Josef und bei der Maria hatte ich das Gefühl, dass sie sich ein bissl über meine Ankunft freuen. Ich mag ja nichts unterstellen, aber in ihrer Not haben sie vielleicht auch ein bisschen auf mein Kisterl geschielt und sich gefragt, was da wohl Nützliches drin ist.

Aber da ist’s ja dann weitergegangen mit der Lästerei – vor allem bei den Hirten. “Myrrhe, was soll’n des sein?”, “Was bringt der derer Familie da mit – Myrrhe, damit balsamiert man ja die Toten ein, das is nix für’n Windelpopo von an Baby!” undsoweiter … Dabei hab ich es doch nur gut gemeint und war auf all diese Redereien echt nicht neugierig. Außerdem haben mir die Füß dermaßen wehgetan von meinen ganzen Umwegen, dass ich das letzte Stück eh nur mehr gehatscht bin. Und die Schlepperei war ja auch nicht ohne!

Aber entschuldigt, jetzt bin ich abgedriftet … das Wichtigste ist ja, dass ich heute den Weg – wie gesagt spät aber doch – hierhergefunden hab. Wie ich gleich gesehen hab, der Melchior und der Balthasar sind schon da – wobei, der Balthasar steht so eigenartig angelehnt da, ich glaub, der macht ein Nickerchen. Zu Wort gemeldet hat er sich noch nicht – zumindest nicht, seit ich jetzt da bin und mit meinen Erinnerungen beschäftigt war …

Na wie gesagt, bei den P’s geht es mir recht gut, besonders bei den Kindern bin ich mit meiner Gesichtsfarbe immer so ein bissl der “heimliche Star” neben dem Christkindl, das entschädigt mich für die früher erlittene Häme.

So, mit diesem versöhnlichen und freudigen Gedanken wĂĽnsche ich allen – vor allem natĂĽrlich „meiner” Familie P – noch verspätet eine friedvolle Zeit, und hoffe, dass ihr euch trotz aller aktuellen Widrigkeiten darauf besinnen konntet, WARUM wir alle jedes Jahr hier stehen …

© Andrea Weiss 2021-01-05

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