von Daniela Krammer
Jahrestage gehören gefeiert. Gerade jetzt, wenn es für uns Künstler nicht so viel zu feiern gibt. Also Champagner. Aber am eigentlichen Festtag ist keine Zeit. Wenn Champagner zum Frühstück fließt, kann man nicht mehr wirklich genussvoll und intensiv wandern – und am 1. Mai muss wandern sein. Vor allem in der dünnhäutigen Stimmung, in der ich mich befinde, hilft nur Wald, Wald und vielleicht noch mehr Wald.
Dünnhäutig bin ich, weil die Ausgangsbeschränkungen zumindest gelockert werden. Fast alle dürfen wieder, was uns wochenlang verboten war. Nur wir Musiker und Musikerinnen dürfen nicht. Nun, wir dürfen schon Musik machen. Umsonst, ohne Bezahlung. Streamen, im Garten, auf dem Balkon. Aber das ist nicht unser Job. Das taten wir, weil wir den Menschen das Zuhause-Sein erleichtern wollten. Trost spenden, eine Welle von „wir gehören zusammen und wir schaffen das“ erzeugen wollten. Und jetzt dürfen fast alle wieder – nur wir nicht.
Also ab in den Wald ohne Champagner Frühstück und im Gleichklang und Gleichschritt erleben, wie das Lächeln und die Freude über gemeinsame 22 Jahre in den Vordergrund tritt. Samstag oder Sonntag wird es sich schon ausgehen, unser Champagner Frühstück.
Samstag leider nicht – da sind doch noch Schüler, die online beglückt werden wollen, der Kühlschrank ist leer. Und außerdem muss das Konzert für das Streaming-Portal aufgenommen werden. Zumindest das Wohnzimmer umbauen, verkabeln, Soundcheck – was, schon 22.30 Uhr? Jetzt ein Bier und ab ins Bett. Morgen am Sonntag dann wirklich. Dann nehmen wir schnell das Konzert auf – und dann Champagner Frühstück.
Sonntag morgen. 10.00 Uhr noch ein letzter Soundcheck. Drums und Percussion müssen eingepegelt werden. 11.00 Uhr – es muss nur noch die Lautstärke der Playbacks angepasst werden. Während des Konzerts den Lautstärkeregler verändern – no go – das stört die Performance. 12.00 Uhr nur noch einmal jedes Lied anspielen, damit die Grooves stimmen. Lautstärke ok? Passt.
13.00 Uhr. Jetzt können wir gleich mit dem Durchlauf starten. Es wird 13.30 Uhr, bis es wirklich losgeht. Eine Stunde zehn Minuten Konzert einspielen. Das Publikum, das erst am 17.Mai zuschauen wird, ansprechen. Sie mitnehmen auf unsere musikalische Reise. Immer wieder merke ich, wie mich mein Verstand rausbringt und so tut, als wäre das kein Konzert sondern eine Studioaufnahme. Womit er ja recht hat – aber ich bin Live-Musikerin – ich hasse Studio-Situationen ohne den Kontakt mit dem Zuhörer. Was für eine Challenge.
Endlich ist alles im „Kasten“ – drei Handy-Kameras haben mitgeschnitten. Noch „kurz“ checken, ob alles drin ist. Verdammt – dieses Lied muss nochmal sein, da war der Speicher voll, diese Ansage nochmal.
Es ist 15.00 Uhr – Lachs, weiche Eier, Weckerl, Champagner stehen vor uns am Tisch. Wir prosten uns zu und schauen uns in die Augen. Und ich weiß in diesem Moment, dass ich um nichts in der Welt mit irgendjemanden tauschen möchte. Genau so will ich mit dir feiern, mein Schatz.
© Daniela Krammer 2020-05-03