von Ann-Sophie
“Hey, ich bin Alexandra. Und ja, genau da geh ich jetzt hin”, antwortete das Mädchen mit den langen, erdbeerblonden Haaren, von denen zwei geflochtene Strähnen locker nach hinten gesteckt waren. Lächelnd gab sie mir zu verstehen, ihr zu folgen, indem sie ihren Arm schwungvoll kreisen ließ. Sie schien bereits ziemlich wach zu sein, da sie enthusiastisch auf und ab hüpfte und dabei kaum merklich summte. Ich konnte nicht anders, als mich über solch eine früh am Morgen vorhandene gute Laune zu amüsieren. Gleichzeitig war diese für mich als Morgenmuffel unverständlich. Schon immer hatte ich mich gefragt, wie man es hinbekam, in aller Frühe schon so positiv gestimmt zu sein. Es war faszinierend…
Leichtfüßig und spielerisch zugleich tänzelte sie über die Pflastersteine des Gehwegs. Während Alexandra die Freude in Person war, machte sich in meinem Magen mit jedem Schritt, mit dem wir uns der neuen Schule näherten, ein immer deutlicher zu verspürendes flaues Gefühl breit.
“In welche Klasse gehst du ab heute?”, versuchte ich ein halbwegs interessantes Gespräch aufzubauen. “Ich komme in die elfte Klasse. Und wie sieht’s bei dir aus?”, fragte sie freundlich. “Einführungsklasse. Ich habe letztes Schuljahr meinen Realschulabschluss gemacht und mein Plan ist es jetzt, das Abi nachzuholen“, erzählte ich ihr beiläufig und probierte krampfhaft, mir all die Details der langsam an uns vorbeiziehenden Häuser einzuprägen, die mir für den noch ausstehenden Rückweg eine potenzielle Hilfe sein könnten.
“Oh wie cool. Ich finde das total toll, wenn man nach seinem Abschluss beschließt, freiwillig noch weiter eine Schule zu besuchen. So viele wollen sofort ihr eigenes Geld verdienen, was ja auch verständlich ist. Meiner Meinung nach gehört gerade deshalb schon auch ein bisschen Mut und Überwindung dazu, wenn man bewusst noch auf seinen eigenen Verdienst verzichtet”, sagte sie begeistert.
“Dankeschön. Es tut gut, das zu hören”, entgegnete ich ihr ehrlich, “ich war mir zwischenzeitlich echt unsicher, ob ich mit der Anmeldung an der Rosefield-High das richtige tue, aber du machst mir wieder etwas Hoffnung.”
“Bildung schadet nie”, ließ sie mich daraufhin wissen. “Wer in aller Welt sagt so etwas, nachdem gestern erst die Sommerferien geendet haben?!”, betonte ich die Komik ihrer letzten Aussage. Im nächsten Moment brachen wir synchron in unaufhaltsames Gelächter aus, mit dem meine dunkle Wolke aus Sorgen endgültig verpuffte.
Nach weiteren drei Minuten Fußmarsch erreichten wir unser Ziel. Im Pausenbereich vor dem riesigen Schulgebäude verharrte ich kurz, um dessen Anblick auf mich wirken zu lassen. Angespannt tippelte ich vom einen auf den anderen Fuß. Meine Nervosität musste förmlich zu riechen sein… “Los geht’s”, hörte ich Alexandra von überschwänglicher Motivation begleitet flüstern, ehe sich mich dezent an meinem Arm packte und mit sich zog. Und schon hatten uns die gewaltigen roten Wände der Schule vollständig verschlungen.
© Ann-Sophie 2021-07-03