Chapter 1
~ Trésor – Hervé ~
Während ich die Straße zu unserer Wohnung hinauflaufe, ziehe ich mir die Kapuze von meinem Hoodie tiefer ins Gesicht und hole mein Handy aus meiner Tasche, um mir ein neues Lied anzumachen, da mir das aktuelle Lied nicht gefällt. Ich entscheide mich für „Trésor“ von Hervé. Dieses Lied höre ich aktuell auf und ab, auch wenn ich es nicht verstehe, fühle ich einfach den Vibe.
Die Straßenlichter spiegeln sich in den Pfützen der verregneten Straßen und meine Converse saugen sich so langsam mit dem Wasser voll, weswegen meine Füße bereits ziemlich kalt sind. Ich habe gewusst, dass es regnen wird und trotzdem entscheide ich mich immer wieder für diese Schuhe, denn ich liebe diese Schuhe einfach. Ich laufe einfach weiter und mit jedem Schritt, dem ich dieser Wohnung näherkomme, breitet sich in mir ein seltsames Gefühl aus. Ich kann es kaum beschreiben. Es ist vermutlich eine Mischung aus Angst und Hoffnung.
Meine ältere Schwester steht unten am Tor, als ich gerade auf das Grundstück laufe und redet mit ihrer besten Freundin, die vermutlich heute zu Besuch war. Meine Schwester hatte schon immer mehr Vorzüge als ich. Ich darf keine Freunde mitbringen. Ich habe das nie verstanden, war aber auch nicht mutig genug, das bei meiner Familie zu hinterfragen, weil ich ihre Reaktion kenne und ich versuche eigentlich immer jeglichen Ärger zu vermeiden.
Ich nicke den beiden kurz zu, ehe ich zur Tür gehe und sie einfach bloß aufdrücke, da Cayla den Keil zwischen die Tür gelegt hat, weil sie vermutlich keinen Schlüssel mitgenommen hat. Oben an der Wohnungstür krame ich meinen Schlüssel raus und schließe die Tür auf. Drinnen ziehe ich meine Schuhe aus und werfe sie achtlos in die Ecke, ehe ich in mein Zimmer gehe und die Tür hinter mir schließe. Ich habe heute keine Lust mehr, jemanden zu sehen. Morgen wird für mich stressig genug werden.
Ab morgen werde ich auf eine neue Schule gehen und ich bin definitiv nicht bereit dafür, neue Menschen kennenzulernen und wieder auf nett und aufgeschlossen tun zu müssen. Ich bin eigentlich ein ziemlicher Einzelgänger und habe lieber meine Ruhe. Ich will am liebsten mit niemandem reden. Viele Menschen um mich herum sind immer eine ziemliche Belastung für mich. Oft möchte ich einfach sofort wieder nachhause rennen und mich in meinem Bett verstecken und nie wieder herauskommen. Nur leider versteht das niemand. Vor allem meine Eltern nicht. Sie sind eher diese konservativen Menschen, für die Traditionen und Werte das wichtigste sind.
Nur meine Schwester Cayla versteht mich. Zwischen uns liegen drei Jahre Unterschied und trotzdem verstehen wir uns blind. I
Ich kann mich immer auf sie verlassen und sie hat mich früher immer vor den Älteren verteidigt. Ihr würde ich jedes Geheimnis anvertrauen und es wäre sicher bei ihr.
© Nathalie Landsmann 2023-08-30