von MISERANDVS
Als meine Kollegin in mein Büro kommt, und mich um einen Rat bittet, unterbreche ich sie und sage: “Kannst du bitte so nett sein und deine Schimpansennahrung erst woanders zu Ende essen und dann wiederkommen? Danke.” Sie sieht mich an, dann auf die Banane in ihrer Hand. Sie beißt davon ab, kaut und stellt ihre Frage erneut. Und ich sage: “Ich mein das ernst. Hau ab mit deiner Banane!” Sie zuckt mit den Schultern und meint, ich sei auch der einzige Kerl, der keinen Spaß dran habe, eine Frau eine Banane essen zu sehen. Dann trottet sie davon. Und mir ist ein wenig blümerant in der Magengegend.
Vierzig Jahre früher, Kindergarten: Die Tante teilt die Frühstücks-Sitzordnung ein, die auch so bleiben wird. Wir sitzen dicht an dich gedrängt, und mir gegenüber ein junges Mädchen, das recht groß ist für ihr Alter. Alle packen wir aus, was uns von zuhause mitgegeben wurde. Ich hab mein Wurstbrot, und das Mädel mir gegenüber eine Banane. Dann beißt sie ein großes Stück davon ab. Und sie kaut es, laut schmatzend, den Mund dabei weit geöffnet. Ich halte mein Brot mit offenem Mund in beiden Händen, und ich sehe, wie der Bananenbrei im Mund vis-à-vis zu einem feuchtschmierigen Klumpen gewälzt wird und Runde um Runde dreht. Es riecht nach warmer Banane und Mundgeruch. Das Mädel grinst. Dann drückt sie die langsam erbraunende Pampe durch ihre weit auseinanderstehenden Zähne mit einem laut schmatzenden Geräusch hindurch und saugt sie wieder in den Kauraum, wo noch einmal alles feucht durchgemantscht wird, bevor es im Schlund verschwindet. Es ist wie ein schlimmer Unfall, und ich kann nicht wegsehen. Da beißt sie wieder ab, das Spiel beginnt von neuem. Tag für Tag hat sie ihre Banane mit. Ich frage mich, ob die vielleicht im Zoo wohnt, wo es ohne Ende – und ausschließlich – Bananen gibt. Meine Mutter will am dritten Tag wissen, wieso ich mein Jausenbrot immer wieder mit heimbringe. “Keinen Hunger.”, sage ich knapp und trotte davon, noch ehe ich womöglich beschreiben soll, was ich jeden Tag ansehen muss. Meine Kindergartentante erteilt mir eine Abfuhr, als ich sie frage, ob ich vielleicht woanders sitzen dürfte. Es sind lange Monate, die ich „Cheeta“ mir gegenüber zusehen muss, wie sie täglich ihre Banane ungustiös frisst. Und weil sie dabei auch gerne spricht, fällt ihr eines Tages die komplette Ladung platschend aus dem Mund und auf den Tisch. Und ja, sie schaufelt sich den Brei erst in die Hand und dann wieder in den Mund.
Heute esse ich selber gerne hin und wieder mal eine Banane. Ist ja was Feines. Gibt weiches Fell und lange Arme. Aber wenn ich sehe, wie eine Frau zur Krummfrucht greift, ergreife ich die Flucht. Augenblicklich sehe ich vorm geistigen Auge, wie braune Pampe durch stummelig-kariöse Kinderzähne gedrückt wird und rieche fauligen Bananenatem. Nein, damit kann man mir keine Freude machen. Das ist nicht schön, und alle meine Partnerinnen bis anhin hatten striktes Bananen-Essverbot in meiner Nähe.
Wie Tarzan das nur jeden Tag ertragen hat?!
© MISERANDVS 2021-04-09