Chefchaouen: die blaue Stadt und ihre Polizei

Hannes Stuber

von Hannes Stuber

Story

Mit einem alten Peugeot Caravan, ohne Fußbremse oder TÜV oder Zulassungsschein, aber mit vielen Rostlöchern und nur einem Scheinwerfer war ich von Wien nach Marokko gefahren. Ich schlief meistens auf den Rosshaarmatrazen im Wagen, war schon zwei Monate mit dem ramponierten Auto unterwegs, ein Reisender, ein Vagabund am Weg nach Afrika, südwärts.

Kurz nach der Grenze nahm ich einen marokkanischen Autostopper mit, der sich als schwatzsüchtiger Haschischverkäufer entpuppte. Mit mir hatte er Pech. Ich kaufte nichts, doch er ließ nicht locker. Hoffend, dass ich mich erweichen ließe, zeigte er mir den Weg zu einem schönen kleinen Café außerhalb Tetouans, das wie ein Adlerhorst auf einem Felsen klebte.

Der herrliche Ausblick auf die in der Sonne gleißenden Mauern der weißen Stadt war der mühevollen Serpentinenfahrt über die unasphaltierte Straße wert. Während ich heißen Pfefferminztee schlürfte und von kleinen Lautsprechern, die auf Holzpfosten montiert waren, Musik von Pink Floyd ertönte, genoss ich den Blick auf die in der Ebene liegende gleißende weiße Stadt. Zusammen mit dem strahlend blauen Himmel und einer Bergkette im Hintergrund löste das ein Glücksgefühl in mir aus. Ich sinnierte über das Leben nach.

Der lästige Autostopper holte mich aus meinen Träumereien. In Tetouan ließ ich ihn, dem die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben stand, aussteigen. Ich fuhr nach Chefchaouen, wo ich den Wagen außerhalb der Altstadt parkte und zu Fuß hineinging. Die mit kräftigem Blau gestrichenen Lehmhäuser faszinierten mich, als ich durch die Gassen wanderte. Die ganze Stadt war in diese Farbe getaucht. In einem blauen Café schrieb ich einige Ansichtskarten, ehe ich zum Auto zurückging.

Vier Polizisten kamen des Weges, just als ich einsteigen wollte. Sie beschuldigten mich, an verbotener Stelle geparkt zu haben. Ich sah mich um. Weit und breit gab es kein Schild, aber auch weit und breit kein einziges geparktes Auto. Anscheinend hatte ich die Blechkiste an einem dem König heiligen Ort abgestellt. Die Polizisten bekrittelten die Firmenschilder einer Tapeziererfirma an den Vordertüren, den fehlenden Autoscheinwerfer, die vielen Rostlöcher, die selbst gebastelte vordere Nummerntafel – und mich. Ich musste mein Schulfranzösisch zusammenkratzen, um mich zu wehren. Sie fragten nach meinem Beruf. Ich sagte: Journalist. Und wies auf die alte Underwood-Schreibmaschine im Auto. Einer der Polizisten, ein Mischling mit negroiden Gesichtszügen, begann mich zu beschimpfen. Mit Jeans und langen Haare wäre man kein Journalist, ein solche sei immer ordentlich gekleidet. Ich sagte, ich wäre auf Urlaub. Sie verhöhnten mich und jagten mich richtiggehend aus der Stadt.

So verärgert war ich über den Vorfall, dass ich an der nächsten Abzweigung falsch abbog, aber das Tal, durch das ich fuhr, war wunderschön. Der Autostopper, den ich mitnahm, stank nach Ziegenmist und trug vorsichtig drei Eier in einem durchsichtigen Plastiksackerl, als wären sie sein einziger Schatz.

© Hannes Stuber 2021-06-02