von Norbert Netsch
Christian David ist Friseur-Meister, ein Handwerk, das künstlerisch ist. Ist das nicht jedes Handwerk? Überall ist Kreativität und Freude an Innovation willkommen. Beim Installateur oder Elektriker scheint mir dieser Aspekt aber trotzdem weniger bedeutend zu sein als beim Friseur, Tischler oder Koch. Tatsächlich kenne ich mich in all diesen Bereichen nicht aus und so geht es in dieser Geschichte auch um Lebenskunst.
Kunst kommt ja von können. Man „kann“ also leben, wenn man Lebenskünstler ist. Man kann sogar so gut leben, dass man als Lebenskünstler bezeichnet wird, wenn man so gut lebt, dass es anderen auffällt.
Der Lebenskünstler sieht in seinem Leben nicht nur einen guten Sinn, er kann es auch wahrlich genießen. Ein Lebenskünstler ist für mich nicht vorstellbar, der kein echter Genießer ist. Echte Genießer sind keine Nichtstuer, sondern Menschen, die produktiv sind, ohne sich dabei besonders angestrengt zu fühlen. Man genießt dann, wenn man Dinge macht, die man gern tut.
Viele Menschen bedauern, dass sie meist nicht die Zeit haben, das unternehmen zu können, was ihnen gefällt. Sie müssen ihre Pflicht erfüllen und sind nachher so erschöpft, dass sie fast nichts mehr tun können, keinesfalls etwas wohltuend Produktives.
Ich wäre gern Lebenskünstler und versuche mich dorthin zu entwickeln, spüre aber, dass es nicht einfach ist. Umso mehr bewundere ich Menschen, die das geschafft haben und wie Buddha in innerer Zufriedenheit voller Freude leben.
Christian David ist so ein Mensch. Er lebt in einer glücklichen Beziehung, hat seinen Friseursalon mit einem Team aufgebaut, das er wie seine Familie empfindet, er lebt äußerst gesellig mit Freunden und Verwandten, für die er gern kocht, bevorzugt etwas, das er selbst gejagt hat. Er unternimmt täglich Wanderungen mit seinem Hund durch den Wald, wo er Beeren und Schwammerl findet. Er ist offen für Neues und geht daher auf Reisen. Der Lebenskünstler muss offen, naturverbunden und gesellig sein, das sind meiner Meinung nach wichtige Kriterien.
Der Lebenskünstler darf natürlich seinen Beruf nicht als Last empfinden, macht man doch einen großen Teil seiner Lebenszeit die berufliche Tätigkeit. Wenn diese Freude bereitet und nicht zu anstrengend ist, hat man einen wichtigen Beitrag zur Lebenskunst geschafft.
Die bisher genannten Punkte sind alle eher technisch zu sehen. Man kann sich darum bemühen und vieles davon erreichen. Eines kann man nicht durch gezieltes Handeln erreichen, und das ist aber doch das Wesentliche der Lebenskunst: die Liebe. Die Liebe zu Menschen, Dingen und Tätigkeiten. Aufrichtige und echte Liebe. Sieht man das Leben unter diesem Aspekt, dann erkennt man erst, warum Christian David ein Lebenskünstler ist: Er kocht nicht gern, er liebt das Kochen, er jagt nicht gern, er liebt das Jagen und die Bewegung in der Natur, er reist nicht gern, sondern er liebt das Reisen und er hat die Menschen in seinem nahen Umfeld nicht gern, sondern er liebt diese Menschen.
© Norbert Netsch 2022-11-01