Lokale Spezialitäten werden ja oft überbewertet. Nicht immer halten sie, was sie versprechen, und bleiben nur dadurch weiter am – ohnehin meist nur touristischen – Leben, dass Mythen eben langlebig und zäh sind. Nun, zäh war es wirklich nicht, das im Ganzen gebratene Miniaturferkelchen – Cochinillo – im spanischen Segovia.
Segovia ist eine traumschöne Stadt. Klein, überschaubar und geziert durch das berühmte römische Aquädukt, das unglaublich zierlich, ja fast fragil wirkt, mit einem Märchenschloss auf einem Felsen und der obligaten gotischen Kathedrale.
Die Stadtbesichtigung fand ihren krönenden Abschluss bei einem Cochinillo-Essen in der Altstadt. Ich esse zwar kaum Fleisch, weil es mir nicht besonders schmeckt, aber so eine lokale Spezialität musste man natürlich kosten.
Das Restaurant hatte schon die Auslage voll mit Schweinchendekor und zeigte Fotos der winzigen Tierchen, die da lagen wie die sprichwörtliche “zerprackte Krot”, nämlich flachgedrückt und auf dem Bauch liegend, alle Viere von sich gestreckt, aber komplett vom Kopf mit Ohren bis zum Ringelschwänzchen. Da schwante mir schon irgendwie nichts Gutes.
Zunächst gab es, abgesehen vom Rotwein, einmal eine Suppe, die gut duftete und eine ansprechende rote Farbe hatte, in der aber leider große, völlig aufgeweichte Brotstücke schwammen. Ich kostete tapfer, aber so etwas könnte ich nur kurz vor dem Hungertod essen. Nun gut, es sollte ja noch das Schweinchen kommen. Inzwischen aß ich das Minisemmelchen mit einem Hauch Butter.
Das Schweinchen trat mit großer Zeremonie auf. Der Koch persönlich mit meterhoher Kochmütze und wichtigtuerischem Gehabe und einer Schar Kellner im Gefolge schob es auf einem Rollwägelchen herein, in der Hand trug er hocherhoben einen dicken weißen Porzellanteller. Nachdem sich alle Blicke ungeteilt ihm zugewendet hatten, erhob er den Teller noch höher in die Luft und zerschlug mit wohlgeübter Routine das Tierchen zuerst der Länge nach mit drei Schlägen und danach noch zwei Mal quer, dann schmiss er den Teller mit ebenso großer Geste auf den Boden. Überall lagen Scherben.
Das sollte zeigen, dass das Ferkelchen so weich war, dass man nicht einmal ein Messer zum Zerteilen brauchte. Dann wurde das Tierchen verteilt. Ich hatte ja noch Glück, denn ich bekam ein Mittelstück, aber die Dame neben mir hatte ein Stück mit dem halben Kopf, von dem ein Ohr in die Höhe stand, und der Herr an meiner anderen Seite hatte an seinem Stück samt Hinterbein das Schwänzchen, das sich senkrecht nach oben ringelte, was große Heiterkeit erregte.
Das Fleisch war so weich, dass es ohne Kauen schon wie Brei war, fast schmierig in der Konsistenz und ohne Geschmack. Die Rippen waren dünner als Streichhölzer. Die allgemeine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Satt wurde man davon nicht, denn als Beilage gab es nur Salat, aber der Rotwein und die Nachspeise waren ausgezeichnet. Gekostet hatte der Spaß knapp 40€ pro Person. Ich war eigentlich noch etwas hungrig.
© 2021-11-26