Connected sein

Rebecca Borde

von Rebecca Borde

Story

Kürzlich ist mir etwas über unsere moderne Gesellschaft klargeworden: Nur weil wir uns gut mit jemandem verstehen, erwartet niemand mehr, dass wir deswegen Freunde werden müssen. Die Menschen haben heute genug Freunde, zum Beispiel bei Facebook.

Vor einiger Zeit lernte ich jemanden kennen. Es war niemand zum Verlieben. Aber ich mochte ihn und wusste, er würde gut in meinen Freundeskreis passen. Vielleicht wäre es eine ungewöhnliche Freundschaft geworden. Aber welche Freundschaft ist schon gewöhnlich? Ich konnte mir vorstellen, wie er zu spät zu Treffen mit unserer Clique kommen würde, weil er selten pünktlich war. Das hatte er selbst mit einem schiefen Lächeln zugegeben. Ich konnte mir auch vorstellen, wie er sich auf meinem Balkon eine Zigarette anstecken und bei unseren Sommerpartys neben uns am Lagerfeuer singen und Marshmallows rösten würde. Aber ich weiß jetzt, dass er das nicht tun wird. Wir lernten uns damals kennen, weil ein gemeinsamer Bekannter ihm einen Gefallen schuldete, und ich half ihm dabei, seinen Gefallen einzulösen. Ich war Bäckerin und sollte ihm einen Red-Velvet-Cake für eine Party machen. Die Party durfte ich als Begleitung meines Bekannten besuchen und so ergab es sich, dass ich und meine neue Bekanntschaft, die ich so gerne als meinen Freund gesehen hätte, viel geredet haben. Wir lachten und tranken viel und ich begann, mir all die kleinen Dinge vorzustellen, die wir mit unserer Clique erleben könnten. Die behielt ich selbstverständlich für mich. Dann tauschten wir Nummern aus, folgten uns bei Instagram und Snapchat. Am nächsten Morgen bekam ich eine Nachricht. Es sei schön gewesen mit mir und wenn nochmal etwas wäre, also wenn er nochmal einen Kuchen brauche, dann würde er sich bei mir melden. Und dann sagte er diesen Satz: „Wir sind ja jetzt connected.” Seither weiß ich, dass die Menschen heute keine neuen Freunde suchen, sondern einfach connected sein wollen. Und ich weiß jetzt auch, dass ich naiv bin.

Kürzlich habe ich noch jemanden kennengelernt. Es war wieder niemand zum Verlieben, aber eben doch einer, der gut in unsere Clique gepasst hätte. Aber ich habe nicht gefragt oder mir irgendetwas erhofft. Ich habe mich auch davon abbringen können, mir diese kleinen Momente, die am Ende doch die großen im Leben sind, vorzustellen. Ich wollte nicht schon wieder naiv sein. Also haben wir uns connected und seitdem ist Funkstille. Aber wenn mal was ist, habe ich jetzt schon zwei Nummern in meinem Handy, die ich anrufen kann, wenn ich mal was brauche. Denn wir sind ja jetzt connected. Was will man denn mehr?

© Rebecca Borde 2021-11-26

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