von Petra Stoppacher
In der Wüste liegt ein kleines Kamel, wo die Nomaden es zurückgelassen haben. Sie flüsterten mit piepsiger Stimme miteinander, bevor sie es dem Sand überließen. Dem unendlichen Gang der Zeit. Dem Fluss des Lebens folgend, packten sie ihr Hab und Gut zusammen und ließen es zurück. Mei, is des scheen.
Doch niemand hätte geahnt, dass es die Stimmen der Verräter erkannt hatte, wie sie es der absoluten Blöße des Todeskampfes hingaben. Sie waren sich sicher, dass es verrecken würde, und sie hielten einander in heimlicher, animalisch dunkel funkelnder Wollust darüber in Kenntnis, dies sei nun einmal der Lauf der Dinge und der Zeit, dieses Aufgeben allen Zaubers.
Diese rohen Bolde.
Die Lauscher des Kamels hatte sie identifiziert – und natürlich hielt es der Treibsand nicht als lebendes Geschöpf stand. Es war nicht heiser, aber etwas in ihm brach wohl oder übel in diesem Sog des Abdriftens, als es so alleine blieb.
Sie alle waren wieder bei einem neuen Platz angelangt, an dem sie ihre Zelte richten mochten. Kleine Ziegen lachten, meckerten, blökten, die Kamele hatten etwas Flüssigkeit bekommen und verharrten daher geduldig.
Doch oh du meine Güte, niemand errät, wie zäh das Wesen war, dass sie herabgewürdigt hatten mit ihrem Vormarsch, welcher es ausgeschlossen hatte. Es rang erst mit dem Verdursten, dann mit der Melancholie, und gewiss auch mit den Kräften, aber es war doch voller Lebenswillen unterhalb all dessen.
Es ging zu einem Zelt und lugte beim Fenster hinein, wo eine Frau soeben Wasser erhitzte. Doch sie erschrak und kippte um, als sie plötzlich ein Kamel in weißer Gestalt vor dem Fenster blöken hörte und beim Heben ihres Kopfes gen dem Geräusch auch sah: Es war beinahe durchscheinend, kaputtes bisschen Selbst da noch, vor allem aber hatte sie nie damit gerechnet, dass dieses vertraute Wesen sie wiederfinden würde.
Sie lachte dumpf, denn sie war angenehm überrascht, hatte man sie doch erst beim Aufbrechen an dem allgemeinen Entschluss des apathischen Waltens teilhaben lassen. Ja, sie war verdrossen gewesen und ließ die Arbeit stehen, um dem Kamel Wasser zu geben; nicht das heiße; kühles, frisches, das ihm den Staub austreiben sollte… sie liebte dieses Wesen so, als sie es doch nie so gefunden hatte, wie es jetzt war.
Ausgemergelt, und abgekämpft, aber stärker denn je in seinem Hoffen auf ihr Beiwohnen seiner Verletzlichkeit.
„Wo waren deine Geschwister?“, fragte sie es mit einer liebevollen Stimme und zu ihrem Erstaunen las sie aus seinem Zucken, dass diese alle hörig gewesen waren und ihm daher nichts entgegengebracht hatten in der Not.
Sie las dem Kamel den Wunsch, ein Wesen zu bleiben, von den Augen ab, und das Kamel schenkte ihm dafür sein abgekämpftes Herz.
© Petra Stoppacher 2025-03-25