Cooler Polterabend

Daniela Neuwirth

von Daniela Neuwirth

Story

2001: Die Stadt ist noch nicht so voll mit Neu-Zugewanderten, sodass sich die später in die Peripherie flüchtende, sogenannte High-Society noch im Zentrum wohnhaft befindet. Wer in diesem Lokal gesehen wird, wer dort und die richtigen Marken einkauft, wer da seinen Feierabend verbringt, wer an den Clubbings teilnimmt, die besten Tickets für die Galas hat, wer die Kinder an die richtige Schule bringt, wer weiß, wo sich die After-Partys abspielen, wer zum richtigen Zeitpunkt ebenso in Velden, Wien, Kitzbühel, München, Miami, London und Monaco oder den ersten Destinationen in Asien und Dubai ist, und dies alles mit der seltensten Rolex am Handgelenk, dem Mercedes- oder Porsche-Schlüssel und für den Sommer das neue Audi-Cabrio uvm. der/die gehört dazu.

Man weiß, wo man schon morgens die Brötchen holt, um die “Familie” zu treffen und wesentliche News für die Tages- und Abendgestaltung zu erfahren, aber auch unter die Leute zu bringen, wo man sich selbst z. B. am Wochenende befinden wird, damit sich entweder wer dazu gesellt oder zumindest keine ungewollten Gerüchte aufgrund der eigenen Abwesenheit entstehen.

Wer denkt, die Landeshauptstadt Oberösterreichs hat 200.000 Einwohner, merkt, sobald er im Zentrum wohnt – es sind nur ein paar Hundert, die man immer wieder trifft und kennt. Selbst zugezogene neue Gesichter werden sofort erkannt, sei es am Gang, am Kleidungsstil oder am Verhalten. Die männlichen Wesen der Stadtmitte sind sofort willig damit beschäftigt diese Geschöpfe zu integrieren.

Es ist ein Ort für kreative Designer und Gestalter, motivierte Jungunternehmer, Sport, große Wirtschaft, Kultur & Kulinarisches und natürlich Kunst. Außerdem wird hier regiert – vom Landeshaus aus – und gesendet – über eigene Television- und Radiostationen. “Was wünscht man sich mehr?”

Ein Zentrum, wie es im Land nicht mächtig-pulsierender sein könnte. Abgesehen davon ist die typische Städterin eine Mischung aus wiff, sportlich, sexy-elegant, mit filmreifem Hairstyling; der Städter ebenso und das sonnengeküsste Gesicht zeigt sich in fast abartiger Tom-Ford-Coolness natürlich keine Sekunde ohne megatrendige Sonnenbrille auf der Nase.

In einer dieser begehrten, stilvollen Altbau-Wohnungen, also diesen, die einen Touch Industrial-Style mit raffinierter Gemütlichkeit und Modernität verbinden, von vereinzelten, aber gut platzierten Kunstwerken unterstrichen, wird stylisch-reduziert gepoltert. Ein hippes Pärchen, sie Kreative, er Unternehmer, will sich im gemeinsamen Freundeskreis auf die Ehe einstimmen.

Lilly findet sich am Linzer Graben, also vom Hauptplatz eine Ecke weiter, ein. Der etwas versteckte Eingang und die zur 2-Etagen-Wohnung gehörende Eingangstür ist nicht so leicht als diese zu identifizieren. Lilly kommt mit ihrem Körbchen an, das voll mit Polterabend-Utensilien – auch präparierten Pampers – ist, welches ihr gleich am Eingang abgenommen und gegen ein Glas Champagner getauscht wird.

© Daniela Neuwirth 2021-01-24

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