CORONA – einfach nur Gedanken und Gefühle

SusanMary

von SusanMary

Story

Scham

Wie kommt es, dass ich mich – eine 63jährige Pensionistin – im Zusammenhang mit der Corona-Krise schäme? Mich plagt weder Verantwortung für das Ausbrechen dieses Virus, noch mache ich mich schuldig an der Verbreitung der Infektion. Und doch gibt es etwas, das sich aus meiner Wahrnehmung in dieser schweren Zeit zum Guten gewendet hat.

Ich schäme mich für den Genuss, den mir diese Veränderung bringt, denn mir ist bewusst, dass es diesen Genuss nur so lange geben wird, solange CORONA für uns Menschen ein Problem, eine Krise darstellt.

Seit 35 Jahren lebe ich in einer kleinen Ortschaft nahe Schwechat. Der liebe Gott hat mir eine Fähigkeit gegeben, die es mir möglich gemacht hat, trotz der geografischen Nähe zum Flughafen Schwechat und zur OMV sowie einer fehlenden Anbindung an die vorhandene (!!!) Umfahrungsstraße und mit extrem hohen Verkehrsaufgebot konfrontiert, meinen kleinen Garten als Paradies zu sehen und Lärm und Gestank ausblenden zu können. Seit Mitte März 2020 erfahre ich nun tagtäglich, wie es sich anfühlt, weder mit Fluglärm noch mit Straßenlärm konfrontiert zu werden. Nur 500 Meter durch “meine” Ortschaft, und schon habe ich Natur vor und die Siedlung hinter mir. Die ersten Tage einer noch nie dagewesenen Stille hatten beinahe etwas Gespenstisches. Aber schnell wuchs diese gruselige Stille zu einer erholsamen Oase. Mit jedem Spaziergang mit meiner Mischlingshündin lernte ich diese Oase zu schätzen und betrachte sie gegenwärtig als ganz besonderes Geschenk.

Ohne “Trapezakt eines Mutigen” und ohne mit engelhafter Geduld ausgestattet sein zu müssen, überqueren wir heute die Bundesstraße, die durch unseren Ort führt. Die wenigen Autos und die wenigen LKWs, die derzeit durch unseren Ort fahren, warten wir gerne ab. Manches Mal winkt man uns sogar zu.

Sobald wir die Bundesstraße einige hundert Meter hinter uns gelassen haben, sind wir der Natur in einer Qualität nahe, wie ich sie in all den 35 Jahren nicht kennenlernen durfte. Natürlich habe ich die 35 Jahre davor auch Vögel zwitschern gehört, aber heute habe ich Gelegenheit, unterschiedliches Zwitschern zu registrieren. Man hält inne und wird plötzlich neugierig auf all die Stimmen der Natur, die wohl immer schon da waren, sich jedoch dem Lärmpegel gegenüber nicht durchsetzen konnten. Sobald die Mediziner das Corona-Virus im Griff haben, werden wir Menschen unsere “Corona-Ängste” ablegen können.

Die schrecklichen Bilder aus den benachbarten Staaten werden wir nicht vergessen können… Die Angst, einem wirtschaftlichen Desaster entgegenzusteuern, werden wir nicht vergessen… Die Geburt einer Sehnsucht nach einer Natur, die nur in der derzeitigen Stille erlebbar ist, werde ich jedoch auch nicht vergessen…

Ich bete HEUTE darum, meine Fähigkeit, mich mit Lärm und Gestank weiterhin arrangieren zu können, nicht verloren zu haben. Ich werde sie wieder brauchen…

© SusanMary 2020-04-14

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