von Mary Modl
Es war einmal …
… eine Zeit, die sich handylos anfühlte; in der sich Menschen auch ohne weltweitem Netz zu vernetzen wussten; in der Freundschaft ohne virtuelle Kommunikationsmittel funktionierte und auch über weite Strecken lebbar war; in der anstatt zu chatten noch geredet wurde; in der beim Begriff „Computer“ noch das Mailüfterl als erste Assoziation in die Gedanken wehte.
Es war einmal …
… eine Zeit, Ende der 1970iger Jahre, in der eine Vierzehnjährige gerade im Begriff war, die wahre Süße des damaligen Lebens kennenzulernen, zu kosten und sich so manch besonders erquicklich Schmeckende auf der Zunge zergehen zu lassen. Sie war meist mit dem Rad unterwegs. Fahrräder waren hoch im Kurs; Hauptmobilitätsmittel. Die Burschen konnten es kaum erwarten, 16 zu werden. Dann gab’s das heißersehnte erste „heiße Eisen“; eine Zündapp, KTM oder Herkules. Ungeheuer wichtig in dieser Zeit, da Tankstellen „die“ Treffpunkte der Moped-Cliquen waren. Sehnsuchtsvolle Mädchenaugen vorprogrammiert.
Es war einmal …
… eine Zeit, die ihren Jungen bereits die Möglichkeit einer Kommunikationserweiterung bot. Und zwar in Form von CB-Amateur-Funk. Die Vierzehnjährige war auf den Geschmack gekommen, nachdem sie erste „Handgurkenerfahrungen“ gemacht hatte. Wie geil war das!?!?! … Solch ein Funkgerät, das es möglich machte, mit anderen Funkern im Umkreis von sage und schreibe bis zu 5 km – bei günstiger Wettertage vielleicht sogar noch weiter – zu kommunizieren. Sie kannte nur den Breaker-Namen(Funker-Namen). Es war die Zeit des Königstigers, des Skorpions, des Teufelsangels, des Zimtschnitterls und vieler mehr. Besonders gespannt war sie, wer sich hinter dem Synonym Diabolo18 verbergen würde; sie, die selbst ernannte Micky Mouse. Daher wollte sie ihre eigene Handgurke. Und sie war bereit, alles dafür zu geben.
Der Papa dachte, er könne sie mit einem „Na ja, wenn im Endzeugnis kein Dreier steht, dann gibt’s das Funkgerät“ abspeisen; in absoluter Überzeugung, dies sei ein unmöglich zu erreichendes Ziel. Er sollte sich irren und wurde bereits am Tag der Zeugnisverteilung zur Kasse gebeten. Es war eine Grundig-Irgendwas-Handgurke; und es war ihr Heiligtum, das ihr einen der schönsten Sommer ihres Lebens bescherte. Ihr Freundschaftskreis bereicherte sich um viele exotische Namen, zu denen sie auch so manches Gesicht kennenlernen durfte. Ungezwungenes Funken, teils bis spät in die Nacht. Ihr „CQ … CQ … Wer ist QRV?“ bescherte so manch schlafgestörtem Nachbarn keine einsamen Nächte.
Was das Reizvolle daran war? Dieses Ungewisse, wer wirklich hinter diesen Synonymen stecken könne, mit denen sie sich unterhielt. Und die Community von Gleichgesinnten, deren Teil sie war.
Es war einmal …
… eine Zeit, in der wir uns verbal unterhielten. Uns schätzten. Uns akzeptierten, wie wir waren. Zusammenhielten.
… eine Zeit, die uns Kind sein ließ, auch wenn wir erwachsen und cool sein wollten.
… eine gute Zeit, die nach keiner besseren verlangte.
© Mary Modl 2019-08-09