von Gudrun Salzer
Etwas zerknirscht sehe ich den kaffeelosen Aussichten entgegen.
Ebenso leer wie die Kaffeemaschine präsentiert sich der Terrakottaboden. Die kahlen Wände runden das räumliche Nichts ab. Schaukelstühle, Ohrensessel, Stehlampen. Sofalandschaften aus einer lang vergangenen und gänzlich anderen Zeit. Sie durften bis zur letzten Woche als himmelweiche Zuflucht für das menschliche Sitzgestänge bereitstehen. Nun haben sie ein neues zu Hause gefunden. Ledereislaufschuhe, Schachfiguren. Die Schreibmaschine mit dem „Kling“ am Zeileende, die mich in die Wohnung meiner Großmutter zurückversetzt. In die Zeit, als Buchstaben noch als geheimnisvolle Symbole mit Bäuchen, Punkten und Strichen galten. Stundenlang durfte ich mit der Pelzmütze am Kopf die Tasten niederdrücken. Meine kleinen Kinderfinger hatten alle Hände voll zu tun, um die Tasten zum Anschlag zu führen. Bis sich der verlängerte Buchstabe aufmachte, um das Weiß zu prägen. War ich zu impulsiv, so umarmten sich zwei der Stehaufarme und die Maschine blockierte.
Nach einer Umarmung ist es mir schon beim Kommen. Doch stattdessen lehne ich mich an den hellblau glasierten mannshohen Kachelofen. Mir ist einfach zu schwer ums Herz.
Vor der Türe ist alles beim Alten. Der Topfen- Birnen- Torten- Traum mit Haube als Henkersmahlzeit. Man sagt kurz vor dem Ende spult sich der Film mit dem Erlebten vor einem ab.
An unsere erste Begegnung kann ich mich nicht mehr so wirklich erinnern. Oder doch? Ganz schemenhaft kommt mir die altrosa Samtcouch in den Sinn. Der dunkle, schwere Tisch mit seinen klaren, schnörkelfreien Strukturen. Die wahllos zusammengewürfelten Porzellankannen am Haupt des Bücherregals. Jede von ihnen erzählt ihre Geschichte. Die sie stumm mit uns teilen. Eine von ihnen ziert nun mein Wohnzimmerregal. Vom WohnZimma ins Wohnzimmer.
An den Tagen, wo mir mein Wohnzimmer zu eng wurde, oder ich zu unaufgeräumt war, trat ich die Flucht an. Bewaffnet. Mit Buch. Zuflucht an einen Ort, wo sich Zeit und Raum gepflegt den Urlaub gönnen. Ein Mikrokosmos aus Herzenswärme, Humor, Kreativität, Wertschätzung und Fürsorglichkeit. Die Begegnungszone von Lebenserfahrung und der unbekümmerten Leichtigkeit des Seins.
Tapeten an den Wänden und gläsernes Gelichter am Plafond. Die Überbleibsel, die nun im stillen Nachhall von gelungenen Konzerten, Liebesschwüren und Herzensleid berichten.
Und von einem MENSCHEN. Einer FRAU, die mit Weltoffenheit, Liebe und Hingabe eine Oase für Menschen geschaffen hatte, die sich nicht dem Diktat des Mainstreams unterwerfen. Ein Sammelsurium der unverwechselbaren Charaktere, die unter IHREM feinfühligen Taktstock den Raum zum Klingen brachten.
SIE. Eine Zeremonienmeisterin der Gastfreundschaft.
Gestern dirigierte SIE die letzte Zugabe. Ein stiller Abschied. Ein kurzes, inniges, letztes Festhalten. Der Vorhang fiel.
DANKE Andrea, für ALLES!!!
© Gudrun Salzer 2021-09-27