von Elena Jordan
Prolog
[…]Mit klopfendem Herzen saß sie nun da, die Stelle, an die er gefasst hatte, kribbelte leicht. Handähnliche Umrisse zeichneten sich kaum erkennbar auf ihrer nackten Haut ab und auch wenn sie langsam verblassten, Tage später noch würde sie die Hand des Mannes an derselben Stelle spüren. Niedergeschlagen und beschämt saß Charly weiter auf ihrem Plastiksitz. In ihrem Kopf tobte ein Gefühlschaos. Die wenigen Leute, die sich mit ihr in der Station aufhielten, schienen nichts bemerkt zu haben. Keiner hatte etwas gesagt, keiner war zur Hilfe geeilt. Wahrscheinlich hatte es niemand gesehen „oder es hat niemanden interessiert“ ergänzte sie gedanklich. Sie stand weiterhin unter Schock und während die Bahn einfuhr, sie weltvergessend mit ihrem schönen Sommerkleid in den Wagon schwebte, wuchs ihre Wut und ihr Frust. Ein ihr völlig fremder hatte ihre Intimsphäre mit Füßen getreten, er hatte sie gegen jeden Respekt, ohne Konsens und aufs gröbste, belästigt. In ihrem Kopf wollte sie sortieren, sie wollte verstehen um dadurch vergessen zu können, aber da gab es nichts zu verstehen. Der Mann hatte sich nicht darum geschert wie sie es finden würde, es hatte ihn keine Sekunde interessiert wie es ihr damit ergehen würde, oder was von dem, was er getan hatte zurückbleiben würde. Eine schmerzliche Erinnerung an eine erzwungene Berührung die für immer eine unfreiwillige Bindung zwischen ihm und ihr schaffen würde. Eine ungewollte Erinnerung. Sie würde verblassen und sie würde sie wahrscheinlich nicht allzu schlimm belasten, nicht im Alltag behindern. Doch vergessen, das würde sie nie. […] (Textauszug aus “Charly” von Elena Jordan)
Es ist ein Thema, dass uns alle betrifft. Fast jeder von uns hat in seinem Leben bereits Bekanntschaft mit dem unangenehmen Gefühl der Grenzüberschreitung gemacht. Egal ob Frau oder Mann, jung oder alt, damals wie heute gibt es Mitmenschen, die ein Nein nicht akzeptieren oder gar nicht erst Fragen.
“Damals wie heute” beleuchtet vor allem die „alltäglichen“, leisen und meist heruntergespielten, erzwungenen Berührungen, und Worte, welche uns nicht zwingend schaden oder traumatisieren, aber uns dennoch etwas nehmen: unsere, laut Gesetz, unantastbare Würde.
Es werden vier Geschichten, von vier völlig unterschiedlichen Menschen dargestellt, die sich dazu bereit erklärt haben, sie zu teilen.
In den folgenden Texten wird es um das Thema sexuelle Belästigung und grenzüberschreitende Szenarien gehen. Falls es dir damit nicht gut geht, würde ich dich bitten meine Story nicht zu lesen. <3
© Elena Jordan 2022-08-31