Damoklesschwert

Walter Tiefenbacher

von Walter Tiefenbacher

Story

Noch sechs Jahre. Dann geht er in Pension. Blickt dann auf eine bewegte Zeit zurĂŒck. Die ersten Jahre in der Privatwirtschaft. Finanziell fĂ€llt er stetig nach oben. Dann ein jĂ€her Karriereknick. Er wird gemobbt. In einer Zeit, als man dieses Wort noch gar nicht kannte. Er kann zwar nahtlos in eine andere Firma wechseln. Kam aber vom Regen in die Traufe. Ein weiterer Wechsel. Und es wurde noch schlimmer. Eine lange Arbeitslosigkeit folgte. Er bekommt es mit der Angst zu tun. Immerhin ist seine Frau beim zweiten Kind schwanger. Irgendwie ĂŒbersteht er diese Zeit.

Dann ein GlĂŒcksfall. Eine interessante und herausfordernde Stelle in der Landesverwaltung. Gewiss. Es ist ein großer beruflicher Paradigmenwechsel. Aber er nimmt es mit grĂ¶ĂŸtem Engagement an und ist erfolgreich. Er identifiziert sich mit seiner Arbeit, seinem Arbeitgeber und kann vielen Menschen helfen.

So gesehen fehlt es an nichts. Zwei tolle Kinder. Ein Enkel. Nur mit den Beziehungen will es nicht klappen. Entweder wurde er ausgenutzt. Oder er schuldete es seinem Unvermögen. Zu traumatisierend war wohl seine Kindheit. DĂŒstere Bilder begleiten ihn bis heute. Seine Eltern erlebte er allzu oft im Streit. Wie hatte er in diesen Momenten Angst! Hinzu kamen noch familiĂ€re BrĂŒche und zerbrochene Freundschaften.

Die Einsamkeit legt sich immer mehr und lastvoller auf seine Schultern. Die Angst vor dem ultimativen Alleinsein in der Pension. Das Wegbrechen einer letzten sinnstiftenden Tagesstruktur, ja Lebensstruktur, versetzt ihn manchmal in Panik. Und in diesen Momenten ist niemand da. Niemand mit dem er sich aussprechen kann. Niemand der zuhört. Nur Leere umhĂŒllt ihn.

In diesen Momenten ist er auf sich zurĂŒckgeworfen. SpĂŒrt, wie alleine er ist. Regelrecht erstarrt. Der Puls schießt in die Höhe, der Körper vibriert und es brechen alle DĂ€mme. Dies mag wohl eine normale Reaktion des Körpers und des Geistes sein, mit diesem Akutstress fertig zu werden. Was sich angestaut hat, muss nun einfach raus. Und tatsĂ€chlich, danach fĂŒhlt er sich irgendwie entlastet. Wenngleich es an der Einsamkeit nichts Ă€ndert. Aber irgendwie fĂŒhlt er sich dann doch wieder stĂ€rker. Es ist wohl wie eine Art Entgiftung. Eine Entgiftung von diesen mentalen Viren wie KrĂ€nkung, DemĂŒtigung, Ignoranz, Ausnutzen und wie diese Viren alle heißen mögen. Er schwankt zwischen Zuversicht und Verzweiflung. Sie wechseln sich ab. Als ob es ein Wettkampf wĂ€re. Wer wird gewinnen. Wer wird ihn in der Pension begleiten. In diesem besonderen Lebensabschnitt. Dem letzten Lebensabschnitt eines Menschen. FĂ€llt das Damoklesschwert auf ihn herab? Oder löst es sich auf?

Oft hadert er mit seinem bisherigen Leben. Seinem vermeintlichen Schicksal. Schimpft auf Gott und die Welt. Und auf sich selbst. Dann wieder diese lichten Momente. Diese Momente aufkeimender Kraft. Diese Momente gilt es zu fördern und zu fordern. Noch sechs Jahre. Ein Zeitraum, in welchem noch viel passieren, aber auch gestaltet werden kann.

© Walter Tiefenbacher 2022-07-08

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