Dance me to the End of Love

JanGroenhain

von JanGroenhain

Story
Wien

Es gibt Tage, wo es draußen nebelgrau ist, man Gefahr läuft, diese Stimmung mit in die Wohnung zu tragen, wo sie sich ausbreitet. Tage, die nicht so gelaufen sind wie erhofft. Dann noch eine negative Nachricht, die eintrifft. Das zieht runter. Der richtige Zeitpunkt für die passende Musik, voller Melancholie und Sentimentalität. Sich ganz in diese Stimmung fallen lassen, darin versinken, und erleichtert wieder aufstehen.

Wiener Stadthalle, im Sommer 2013. Volles Haus. Noch bevor sich die Bühne bevölkert gibt es Standing Ovations. Dann tritt er auf, der alte Mann im dunklen Anzug und Hut. Seine Begleitmusiker sind auch gesetzteren Alters, deren Outfit analog.

„Dance me to the End of Love” ist sein Intro. Textlich schwere Kost, geht es doch um einen Liebesschwur im Angesicht des Todes, um das letztmalige einander Spüren und Schweben.

Leonard Cohen, der Sänger und Poet, die lebende Legende aus Montreal ist zu Gast, präsentiert ein Best Of. Mit geschlossenen Augen scheint er versunken in seine Lieder, wippt mit der Fußspitze im Takt. Er wirkt völlig in sich ruhend, geht manchmal hingebungsvoll auf die Knie. Wohl aber mehr, weil das lange Stehen schon zu anstrengend ist.

Es folgt „Hallelujah“, diese hymnische Ballade, die zu Herzen geht. Eigentlich nimmt das Lied Bezug auf das Alte Testament, erzählt von einem Fehltritt König Davids. Hundertfach wurde dieses Lied gecovert, es wird zu vielerlei Anlässen gespielt.

Cohen war zeit seines Lebens stolz auf seine jüdische Abstammung und seinen Namen, der Priester bedeutet. Es scheint, dass er diesen als Auftrag empfunden hat, Botschaften zu verbreiten. Verheiratet war er nie, der Leo. Aber in zahlreichen Beziehungen. Wahrscheinlich ein Frauenversteher mit besonderem Charme, einer Aura die ihn umgibt. Mit Marianne, seiner Muse, verbrachte er ganze fünf Jahre auf der Insel Hydra. Das Ende der Beziehung dürfte ihm schwergefallen sein, geht es nach seinem Lied „So long, Marianne“.

In „Suzanne“ verarbeitet er eine andere Liebe, beschreibt eine Frau, die ein wenig verrückt ist, und vielleicht gerade deswegen so anziehend ist. Sehnen und suchen wir nicht alle hin und wieder nach ein wenig Verrücktheit?Ein Meister der Melancholie und Tiefgründigkeit ist er, der Herr Cohen. Erzählt von Liebe, Freundschaft und Lebenssinn. Die Melodien sind eingängig, einlullend. Und somit am Ende so herzerwärmend.

In der Teenagerzeit war das absolut nicht meine Musik, erst im Lauf der Jahre und mit mancher Krise habe ich sie schätzen gelernt. „If it be your will“ wird in einem elfenartigen Gesang vorgetragen von den Webb Sisters. Ist es besser, für immer zu schweigen als etwas Falsches zu sagen?

Ein fast dreistündiges Konzert ist natürlich anstrengend, für einen alten Herrn. Dennoch, nach dem Bad im Abgangsapplaus geht er beschwingt hüpfend von der Bühne. Ein wunderbarer Abend mit dem Gefühl, etwas Endgültiges erlebt zu haben. Seit 2016 schweigt er für immer, der Leo. Aber seine Lieder sind da.

© JanGroenhain 2020-12-31

Genres
Romane & Erzählungen, Biografien
Stimmung
Dunkel, Reflektierend, Traurig
Hashtags