von Peter Schwanter
Ich mag vielleicht fĂŒr viele Menschen ĂŒberheblich klingen, wenn ich behaupte, dass ich seit meinem letzten Tropfen Alkohol, nie wirklich Angst hatte rĂŒckfĂ€llig zu werden. NatĂŒrlich habe ich mir oft und intensiv Gedanken darĂŒber gemacht, in welchen Situationen mir Gefahren drohen könnten, was geschehen mĂŒsste, dass den Griff zur Flasche unausweichlich werden lieĂe.
Ich besitze von Geburt an eine gewisse Sturheit, die mich daran hindert, eine einmal gefasste und in die Tat umgesetzte Entscheidung, zu revidieren. Den Entschluss, mit dem Trinken aufzuhören, konnte ich anscheinend erst zu einem Zeitpunkt fassen, als ich mir auch in den wildesten Vorstellungen klar war, dass ich den Versuchungen des Wiedereinstiegs auch Herr werden wĂŒrde. Einer der maĂgeblichsten Faktoren am Gelingen meiner Entwöhnung, ist fĂŒr mich zweifelsohne die Tatsache, dass mir von der ersten Minute an bewusst war, eine erfolgreiche Therapie wĂŒrde bei mir unumstöĂlich mit einer totalen Abstinenz verbunden sein.
Meine Erfahrungen in den letzten Jahren haben mich in dieser Ăberzeugung immer wieder bestĂ€tigt. Alle, die meinen Weg danach kreuzten, die ihr Alkoholproblem mit kontrolliertem Trinken in den Griff zu bekommen glaubten, sind daran gescheitert. Ich bin der Meinung, dass die, an die Substanz Alkohol gebundene, AbhĂ€ngigkeit nicht durch ein Verringern der Dosis beherrschbar wird, sondern nur durch einen radikalen Verzicht. Nur so kann es gelingen, alternativen Lösungsmöglichkeiten Raum zu geben. Akzeptiere ich diese Logik, dann ist der erste und vielleicht schwerste Schritt schon getan, und die darauf folgenden werden zwar nicht von selber gehen, aber bei weitem nicht mehr so zĂ€h sein, wie der Beginn hat vermuten lassen.
Das alles heiĂt nicht, dass mein Weg frei von Skepsis war, aber es war kein mit Angst erfĂŒllter. Es war eine, von Frau Dr. L. begleitete, Expedition in ein Leben, das schrittweise freier wurde von FremdabhĂ€ngigkeiten, und damit meine ich nicht nur meine Bindung an den Alkohol. Mit ihr habe ich begonnen, meinen Notfallkoffer zu bestĂŒcken, und sie hat mir geholfen, mein neues Handwerkszeug effektiv einzusetzen. Mit viel EinfĂŒhlungsvermögen, aber auch mit der nötigen Vehemenz hat sie mich zu neuen Perspektiven gefĂŒhrt. Sie hat mich auf Ansatzpunkte aufmerksam gemacht, die ein Weiterzeichnen meiner persönlichen Landkarte möglich machten. Sie hat mir Varianten aufgezeigt, die nicht utopisch waren, aber durchaus einiges von mir abverlangten.
Alle diese UnterstĂŒtzungen waren aber untrennbar mit damit verbunden, dass jede Entscheidung alleine von mir getroffen werden musste, und ich alleine fĂŒr diese Entscheidungen die Verantwortung zu tragen habe. Das waren meine ersten Schritte zurĂŒck in die Eigenverantwortung. Auf diese Art habe ich mir mit ihr ein Reservoir an Möglichkeiten geschaffen, die mich den Versuchungen, die das Leben an einen trockenen Trinker stellt, beruhigter ins Auge blicken lassen.
© Peter Schwanter 2020-11-28