Danke für den Ausschluss vom YSA

Oliver Fahn

von Oliver Fahn

Story

Obwohl mir Stehvermögen fehlt, den anberaumten Sprung vom Drei-Meter-Brett durchzuziehen, fühle ich mich während meiner Umkehr göttlich. Ich atme beim Hinabsteigen von der Leiter eine mir bis dato unbekannte Siegesluft. Beim Heruntergehen vom Sprungturm, ohne gesprungen zu sein, werfen mir nachfolgende Jugendliche verächtliche und mitleidige Blicke zu. Ich genieße ein Dasein, das dem einer Auswärtsmannschaft ähnelt. Von der das Publikum auf der Tribüne bei jedem Entlastungsangriff aufs gegnerische Tor eine Sensation wittert. Bei allem, was ich tue, das nicht im Eklat endet, spüre ich stummen Applaus in den noch nicht klatschbereiten Händen restlicher Badebesucher. Abgesehen von winzigen Zwischenfällen verläuft der Badenachmittag gut. Muss ich Antonias, mir niemals zum Vorteil gereichende Aufmerksamkeit erwähnen?

Als ich am Beckenrand bröselnde Maiswaffeln vertilge, von denen ich behaupte, sie würden sich bloß kurzzeitig in die Sohlen der Besucher eintreten, um beim nächsten Wassergang wieder abgewaschen zu werden, tadelt sie mich. Soll ich die Klage meiner Frau ernst nehmen, als ich in Friedrichs Beisein am Bistrotisch des Kiosks eine halbgare, ins Ungare tendierende Rigatoni aus meiner Nudelpfannenauflaufform herausnehme und durch ihre Öffnung pfeife? Selbst als sie nach meinem Aufgreifen der Doppeldeutigkeit von ungar und Ungar meinen vermeintlichen Ideenreichtum deklassiert, suhle ich mich im verdeckten Stolz eines Märtyrers, dessen rosenkranzartige Gebetswiederholungen beim Veranstalter des YSA unerhört blieben. Antonia ist erwartungsgemäß wenig beeindruckt von meinen anwaltlichen Verteidigungsgebärden zugunsten der nicht nominierbaren Ü35-Liga.

Im Augenwinkel sehe ich Friedrich in der Gegenwart erholungsbedürftiger Whirlpoolinsassen auf den Wasserspiegel einschlagen. Trotz Antonias mich vermessender, Genvergleiche mit Friedrich anstrebender Blicke, spüre ich meinen Körper Gleichgültigkeitshormone fluten. Einem Schlafmittelkonsumenten ähnlich torkle ich zu Friedrich, enthebe ihm den Mittelpunkt, wo er Unfrieden stiftet. Noch im Zangengriff um meinen Sohn durchfährt mich eine sich ausbreitende Woge der Gelassenheit. Meinen Körper durchpeitschen Impulse, die nichts anderes als den Weg zur Liege zulassen und mich in die Schläfrigkeit diktieren. Jegliche Erschaffung von Gegenwartsliteratur scheint mir für die Dauer meiner Lebensspanne ausgeschlossen. Mich übermannt ein unbezwingbarer Phlegmatismus. Mein eigenes Schnarchen konterkariert ein vollkommenes Einschlafen.

Welches Privileg wir Ü35 in unserem kollektiven Nichtinfragekommen für den YSA doch haben, sinne ich selbstzufrieden. Ein Stressor weniger! Ich genieße meine Wettbewerbsuntauglichkeit wie ein Dirigent, der weiß, auch ohne die Betätigung seines Taktstocks würde das Orchester weitermusizieren. Herrlich, wenn Älterwerden einem auf diese Weise in die Karten spielt.

© Oliver Fahn 2022-05-07

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