von JWK
Ich ging so um den Jahreswechsel in Salzburg über den Feingold-Steg, den ehemaligen Makartsteg, als ich eine Polizistin von der Staatsbrücke kommend über die Treppen zum Radweg entlang der Salzach laufen sah. Es war mir unerklärlich, warum sie Radfahrer*innen stoppte, mit ihnen sprach und sie umkehren ließ. Beim Weitergehen fiel mir zunächst vor dem Hotel Stein ein äußerst unorthodox geparktes Polizeifahrzeug auf. Dann bemerkte ich von der Staatsbrücke flussaufwärts wieder einen Polizisten den Radweg absichern. Der Grund dieser polizeilichen Aktion klärte sich erst, als ich eine – nicht allzu große – Schar von Menschen am Radweg auf mich zukommen sah. Von Umstehenden erfuhr ich, dass dies ein „Spaziergang gegen die Corona-Regeln“ sei. Deutlich war das Fehlen von Mund- und Nasenschutz. Die Abstände waren sicher nicht entsprechend groß. Voraus zwei Polizisten, hinten einer in Zivil und zwei weitere in Uniform.
Etwa eine Woche später traf ich am Mozartsteg beim Fußgängerübergang an der anderen Seite der Salzach neuerlich auf die „Spaziergänger*innen“. Wieder weitgehend ohne Mund-Nasen-Schutz und – zumindest vor der Ampel – viel zu dicht beieinander. Erste Schilder mit Botschaften gegen jede Reglementierung waren zu sehen. Ein Christbaum geschmückt mit Mund-Nasen-Schutz-Masken stach besonders ins Auge.
Einige Tage später begegneten mir zum dritten Mal die „Spaziergänger*innen gegen die Corona-Regeln“. Es schien, dass schon mehr Struktur in die Reihen kam. Über Megafon wurden nicht nur „Spaziergang-Regeln“ ausgegeben, sondern auch lautstarke Sprechchöre angeleiert. Alles wieder in engstem Abstand, weitgehend ohne Mund-Nasen-Schutz und von der Polizei begleitet.
Wie eine Abrundung zu diesen Erfahrungen fühlt sich ein Erlebnis vor Kurzem im O-Bus an. Auf der Fahrt hörte ich schon längere Zeit aus dem hinteren Teil laute, aber doch mir nicht verständliche, Worte. Am Ziel meiner Fahrt angekommen, ging ich – auch um aus Neugierde nachzusehen – zur hinteren Tür des Busses. An eine der Haltestangen gelehnt stand ein Mann mit deutlich unter die Nase gezogenem Mund-Nasen-Schutz und hielt, ob ihm wer zuhörte oder nicht, eine Rede. Das Sprechen fiel ihm nicht immer leicht. Er schien ein wenig angeheitert zu sein und schimpfte gegen alles, was mit Corona zu tun hat. Heftig äußerte er sich gegen die Corona-Regeln, gegen Abstand, Mund-Nasen-Schutz, Händewaschen und vor allem gegen die (vermeintliche) Impfpflicht. – Da erhob sich eine Frau vom Sitz, ging noch vor dem Aussteigen zu dem Mann und sprach mit deutlichen Worten: „Ich möchte mich ganz herzlich bei ihnen bedanken! Danke für ihren Protest gegen die Impfung. Das bringt mir die Chance, dass ich vielleicht doch etwas früher als geplant drankomme. Bitte, lassen sie sich nicht einbremsen!“
Die Tür öffnete sich. Wir stiegen aus. Aufrecht ging die Frau ihren Weg. Vom Mann hörte ich kein Wort. Noch heute frage ich mich, warum ich nicht lautstark applaudierte?
© JWK 2021-01-23