Danke, Vadder!

Theodor Leonhard

von Theodor Leonhard

Story

“Neumodischer Krust!”, hätte mein Vater vermutlich zur Erfindung eines Vatertags gesagt. “So etwas braucht kein Mensch!”

Wo er recht hatte, da hatte er recht. Ausgerechnet am Tag, der ihnen angeblich gewidmet ist, ziehen Väter saufend und grölend durch die Gegend. Das braucht kein Mensch. Und es braucht auch nicht unbedingt einen speziellen Vatertag.

Aber dass Väter, die es verdient haben, anerkannt und geschätzt werden, das tut nicht nur den Vätern und manchmal auch den Müttern gut. Davon können auch ihre Kinder profitieren.

Mein Vater ist seit 27 Jahren tot. Ich habe mit ihm manche Konflikte ausgetragen und sehr kontroverse Diskussionen geführt. “Bu, sei nicht so frech!” – “Vadder, ich bin nicht frech. Ich bin ehrlich.” usw.

Ich könnte viel von meinem Vater erzählen. Vier Erfahrungen leben mir in einer ganz starken Erinnerung. Da ist er mir bis heute ein Vorbild geworden.

Mein Vater hat das Malerhandwerk gelernt. Er war selbstständig mit einem Ein-Mann.Betrieb. Manchmal durfte ich als Kind Rechnungen an Kunden austragen. Dabei ist mir aufgefallen, dass bei bestimmten Leuten die Rechnungen ausgesprochen niedrig ausgestellt waren. Einer Flüchtlingsfamilie brachte ich einmal eine Rechnung über 24 DM, einschließlich Materialkosten. Das war der Lohn für einen ganzen Tag Arbeit. Ich weiß heute, dass allein die verwendete Farbe mehr gekostet hat. Und das, obwohl mein Vater selbst eine neunköpfige Familie ernähren musste.

Ein frommer Mann war mein Vater, engagiert in der Kirche, wöchentlicher Gottesdienstbesucher, ein Beter zu Hause und regelmäßig in der “Stund”. Der Sonntag wurde “geheiligt”. Feldarbeit war an diesem Tag ausgeschlossen, selbst wenn das Heu nass wurde. Aber der Vater hat uns Kinder nicht in seine Form des Glaubens hinein gezwängt. Im Gegenteil hat er uns dazu ermutigt, unsere eigenen Formen des Glaubens zu finden.

In den 60-er Jahren kamen die ersten italienischen Gastarbeiter in unser Dorf, wie sie damals genannt wurden. Mein Vater war während dem Krieg als Soldat ein paar Monate in Italien am Kalterer See. Sprachbegabt wie er war, hat er etliche Brocken italienisch behalten. Ich habe nicht viel von dem verstanden, was er mit den italienischen Gästen gesprochen hat, die ein paar Häuser entfernt in den “Fremdenzimmern” Gaststätte gewohnt haben. Aber das Lachen und die Herzlichkeit zeigten mir: Das war gelebte “Willkommenskultur”.

Mein Vater war politisch ebenso interessiert wie konservativ. Einmal war ich als Jugendlicher mit ihm bei der Versammlung einer politischen Partei. Ich weiß gar nicht mehr genau, was ich gesagt habe. Irgendwie ging es um Kritik an “unbegrenztem Wachstum”. Um 1970 nicht gerade das Lieblingsthema einer konservativen Partei. Einige Parteifreunde sind ziemlich auf mich losgegangen. Die anderen haben geschwiegen. Nur mein Vater hat zu mir gehalten. Wer eine solche Erfahrung mit seinem Vater macht, vergisst das sein ganzes Leben lang nicht mehr.

Danke, Vadder!

© Theodor Leonhard 2021-05-13

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