9| Mela

Katharina Bartsch

von Katharina Bartsch

Story

Die Demütigung fraß sich durch ihre Eingeweide. „Ich hasse den Namen Melanie. So möchte ich nicht genannt werden“, krächzte sie, als sie sich wieder aufgerichtet hatte. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „Ist das so? Und wie sollen wir dich stattdessen nennen?“, fragte er belustigt.

Wer war dieser Kerl? Warum hatte der Eulenmann ihn „König“ genannt? Und was könnte er von ihr wollen? War es möglich, dass sie nicht träumte? Stirnrunzelnd antwortete sie: „Mela.“ Er erhob sich aus dem Thron und klatschte in die Hände. „Dann hätten wir ja alles geklärt“, sagte er und deutete Vola, er solle sie wegbringen. Der Eulenmann verbeugte sich vor seinem Herrn und ging auf sie zu.

„Noch nicht ganz“, antwortete Mela und wich ein Stück zur Seite. »Ich hätte da noch ein paar Fragen.“ Wenn das ein Traum wäre, würde sie irgendwann aufwachen. Und wenn nicht … könnte es nicht schaden, etwas mehr zu wissen. Für einen kurzen Moment verlor der „König“ die Kontrolle über seinen Gesichtsausdruck. Doch er kehrte schnell zu seinem Pokerface zurück. „Fragen? Soso …“, erwiderte er, während er sie musterte. Sein Diener wagte es nicht, sich zu bewegen. Er wartete starr auf weitere Befehle. „Vielleicht schadet es tatsächlich nicht, wenn wir einander besser kennenlernen.“ Er setzte sich wieder, schlug ein Bein über das andere und sah Mela an. Dabei wippte er mit dem Fuß auf und ab. Für ihn war das ein Spiel. Und jetzt war sie wieder am Zug. Sie schaute sich erneut in dem Zimmer um. Eigenartig, wie leer es war. Bis auf den Thron, der sich auf der Plattform befand, gab es keine Möbelstücke. In der Mitte des Raums lag der rot gemusterte Teppich. Dann gab es die Vorhänge und die Wände aus dunklem Holz. Keine Bilder, keine Stühle, nichts. „Warum bin ich hier?“, fragte sie ruhig. Mela betrachtete während des Sprechens die Vorhänge. Waren dahinter überhaupt Fenster?

„Weil man dachte, du wärst ein geeignetes Geschenk.“ Mela nahm den Blick von den Gardinen und sah ihn an. Sie wünschte, er würde die Brille abnehmen. Dann könnte sie ihn viel besser einschätzen. Ihre Miene war finster, ihr Ton rau. „Ein Geschenk? Wer bist du, dass man dir Menschen als Geschenk bringt?“ Er richtete sich auf, seine Arme ruhten auf den Lehnen seines Throns. „Welch gute Frage“, antwortete er geschmeichelt. Als hätte sie ihm ein Kompliment gemacht. „Mein Name ist Rajk. Mir werden alle möglichen Geschenke gemacht. Natürlich geht es denen nur um sich selbst. Sie möchten sich mit mir gut stellen.“ Er genoss das Thema. Mela fand diese Selbstverliebtheit ekelhaft. Doch es passte zu dem Bild, das sie bis jetzt von ihm hatte. „Weswegen? Was für ein König bist du?“, fragte sie lauter, als sie wollte. Sie schüttelte den Kopf, leicht, sodass man es fast nicht bemerkte. Der König setzte sein bestes Lächeln auf, als er ihr die Antwort darauf gab: „Der König der Ungeheuer.“

© Katharina Bartsch 2022-07-07

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