Hey Lu,
Du weißt ja, dass sich mein Leben seit Monaten anfühlt, als stände ich auf einem vollen Bahnsteig. Leute sind überall, sie steigen in Züge ein, welche sie an ihre Ziele bringen, oder sie steigen aus, weil sie ihre Endhaltestelle erreicht haben. All das, während ich auf der Stelle stehe. Mein Zug scheint einfach nicht zu kommen, und dass, obwohl ich schon monatelang auf ihn warte.
Das hatte ich auch versucht, dir bei unserem Streit klarzumachen, aber irgendwie hast du mich nicht verstanden. So wie der Rest der Welt hast auch du nicht gesehen, wie es in meinem Innern aussieht. Dabei dachte ich, wir würden uns sogar ohne Worte verstehen.
In meinen Gedanken ist unser Gespräch so schön verlaufen, doch statt der erhofften liebevollen Umarmung und den Freundschaftsbekundungen, haben wir uns Beleidigungen an den Kopf geworfen. Du bist wutentbrannt aufgestanden, um nach Hause zu gehen, bevor ich mich dir richtig erklären konnte.
Worte können nun auch nicht wiedergutmachen, was ich an diesem Tag angerichtet habe. Mein – es tut mir leid – kann ich mir eigentlich sparen, trotzdem möchte ich es dir hier noch einmal schwarz auf weiß klarmachen: Du bist meine beste Freundin, egal, was da zwischen uns vorgefallen ist.
Ich war die letzten Monate nicht ich selbst. Ich habe viele Fehler gemacht, die dazu geführt haben, dass mein Leben den Bach hinunterging. Doch daran bist du sicher nicht schuld! Es ist mein eigener Fehler, dass ich dich so lange abgestoßen habe, obwohl du mir hättest helfen können.
Natürlich wirst du mir meine Entschuldigung wieder nicht glauben, deshalb habe ich einen anderen Weg gefunden, mich bei dir zu verabschieden. Es ist ein Lebewohl, welches wir beide verdienen. Denn auch wenn deine Worte bei unserem Streit wie Pistolenkugeln in mich eingedrungen sind, so weiß ich doch, dass du die Waffe nie auf mich richten wolltest. Und diesen Gedanken werde ich für immer in meinem Herzen tragen.
Es hat lange gedauert, bis ich die richtige Stimme für mein Abschiedsgedicht gefunden habe. Stundenlang habe ich Sätze auf dem Blatt hin und hergeschoben und Worte ausgetauscht, die dich vielleicht durch ihre Zweideutigkeit verwirrt hätten. Mit meinem Ergebnis bin ich ziemlich zufrieden, denn hingegen allem, was ich die letzten paar Monate vollbracht habe, ist dieses ziemlich klar. Man versteht die Message, auch ohne es auf das genauste analysiert zu haben.
Du warst schon immer mein Rettungsanker und ich weiß, dass du ihn nun auswerfen wirst, um mir zu helfen. Aber das brauchst du nicht. Es geht mir gut!
Bye
Carls
© Mia-Sophie Matzke 2024-09-14