Ich war fast fertig mit meinem Biologiestudium und kein einziges Mal am Uni-Ball gewesen! Jetzt oder nie war die Devise. Ich beschloss, einen wunderschönen Stoff zu kaufen, um mir ein Ballkleid zu schneidern. Zur ersten Probe lud ich meine Freundin Marlene ein, um ein kompetentes Urteil zu erhalten (sie schneiderte ebenfalls hin und wieder).
Als ich mich stolz im halbfertigen Ballkleid präsentierte, starrte sie mich an und sagte, du bist schwanger! Ich erwiderte empört, du spinnst ja, wie soll das gehen, ich nehme die Pille und bekomme regelmäßig meine Regelblutung! Als ich an mir hinunter sah, stellte ich ebenfalls eine leichte Wölbung fest, allerdings war sie mir bisher entgangen…
Sofort machte ich einen Termin beim Frauenarzt aus. Er untersuchte mich und meinte,“Sie sind im 5. Monat schwanger“. Mich überkam das blanke Entsetzen, trotz Pille, trotz Regelblutung!? Der Arzt meinte, die Pille ist nicht 100%ig, sondern nur zu 97% sicher und „Sie fallen in die unsicheren drei Prozent“. Beim Verlassen der Praxis sagte ich zu meiner Freundin, die mich begleitet hatte, ich bringe mich um. Mein erstgeborener Sohn war 10 Jahre alt und ‘aus dem Gröbsten raus‘, wie man so schön sagt. Ich suchte eine Telefonzelle und rief meinen Mann an. Tröstend meinte er, wir haben bisher so vieles geschafft, wir werden auch ein zweites Kind schaffen! Ich liebte ihn ob dieser Zuversicht. Wir machten zu dritt Schwangerschaftsgymnastik, mein Sohn, mein Ehemann und ich. Mein Bauch wuchs und wuchs, immer wieder griffen die beiden bewundernd darauf. Es war eine schöne Zeit.
Das halbfertige Ballkleid lag lange in meinem Kasten. Ich habe es nie mehr gebraucht und war bis heute nicht am Uni Ball.
© Christine Goldberg 2020-11-03