von Franz Brunner
Ich sitze im Zug und denke nach. Nein, falsch, ich grĂŒble und Ă€rgere mich ein wenig, das trifft es besser. Und dann Ă€rgere ich mich, dass ich mich Ă€rgere, wennâs auch nur ein wenig ist. Irre, oder? Meist haben lĂ€ngere Zugfahrten ja was Entspannendes, manchmal sogar was Meditatives, doch heute willâs mir nicht so recht gelingen. Ins schöne KĂ€rnten, an den Faakersee gehtâs. Ich bin ĂŒberraschend PreistrĂ€ger bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb. Ja, ich habâs bei 172 Einsendungen aus 4 LĂ€ndern geschafft, unter die letzten 5 zu kommen und heute wird gelesen und honoriert. Gewiss, ich freue mich, auch weil mein Fanclub mitreist. Ja, meine Frau sitzt neben mir und ist sehr gelassen, meine Gelassenheit hĂ€lt sich allerdings in Grenzen. Es ist was Schlimmes passiert. Trotz zig-fachem Probelesen des preisgekrönten Textes wird in der Festschrift ein unwĂŒrdiger, ein blamabler Fehler zu finden sein: Ich habe im vorletzten Absatz Bettkannte statt Bettkante geschrieben. So, als wenn ich dringend einen Deutschkurs brĂ€uchte. Niemandem ist das aufgefallen. Mir nicht, zumindest nicht rechtzeitig, meinem Fanclub nicht und der Lektorin des Veranstalters ebenso wenig. Als ich am Vortag der Lesung die Lektorin anrief, um noch RettungsmaĂnahmen einzuleiten, gabâs nichts mehr zu retten, gedruckt ist gedruckt. Und jetzt ist er eben drin, der Fehler. Auf ewige Zeiten werden sich Tausende von Lesern zu Recht fragen, wie so jemand einen Preis gewinnen konnte. Zwischendurch, also wĂ€hrend des mit SelbstvorwĂŒrfen gespickten GrĂŒbelns, ruft meine Mutter an. Sie lĂ€dt ihren Lieblingssohn â ich bin zudem ihr einziger – und meine Liebste nĂ€chste Woche zum Mittagessen ein. Sowas gabâs tatsĂ€chlich schon Jahre nicht und wĂ€re im Grunde erbaulich, wenn nicht das Malheur mit der Bettkannte passiert wĂ€re. Und da bin ich natĂŒrlich gereizt. Auf Mutters Frage, was wir denn um Gotteswillen zu dieser Jahreszeit in KĂ€rnten machen, erzĂ€hle ich ihr, dass wir ein Wochenend-Seminar im Eisbaden gebucht haben. Ihren Einwand, dass es zurzeit ja noch kein Eis gĂ€be, kontere ich selbstsicher mit: âVöllig richtig, es ist allerdings auch ein AnfĂ€nger-Seminar.â NatĂŒrlich kann ich meine Mutter nicht im Unklaren lassen und schildere die wahren UmstĂ€nde unserer Winterreise, allerdings ohne die unrĂŒhmliche Bettkannte zu erwĂ€hnen. Obâs denn was zu gewinnen gibt, will sie wissen. Ja, fĂŒr die drei erst gereihten Autoren gibtâs Geldpreise (1000, 500 und 300âŹ), der viert- und fĂŒnft-Gereihte bekommt jeweils Sachpreise. Nachdem einer der Hauptsponsoren eine bekannte KĂ€rntner Nudelfirma ist, rechne ich mit einem bunten Nudelkonvolut. Recht geschieht mir, was habe ich auch so schlampig Korrektur gelesen. Einen derart fehlerhaften Text kann, man, nein darf man auf gar keinen Fall mit einem Geldpreis belohnen, selbst die RechtmĂ€Ăigkeit der Nudeln ist schon zu hinterfragen. Je mehr wir uns diesem Finkenstein nĂ€hern, umso mehr verfliegen mein Ărger und meine Selbstzweifel, die PrioritĂ€ten scheinen langsam wieder ins Lot zu kommen. Mag sein, dass der Piccolo-Sekt, den ich in den Rucksack geschmuggelt habe und natĂŒrlich mit meiner Liebsten redlich teile, den Stimmungsumschwung eingeleitet hat. Ich habe mir auf alle FĂ€lle vorgenommen, mich nach der Veranstaltung mit meinem Fanclub und dem Ăberraschungs-Nudelpaket auf die Bettkannte des Hotelbetts zu setzen und zufrieden, vielleicht sogar ein wenig stolz zu sein. Ja, auf die Bettkannte. Und nochmals Bettkannte. Und Teigwaren jeglicher Art mag ich ohnehin zu jeder Tages- und Nachtzeit.
© Franz Brunner 2024-11-29