von Brigitta Hafner
„Manchmal meine ich, es war gar nichts – das mit Piroschka. Aber es ist wohl alles gewesen. Alles.“
Diese letzen Zeilen im Buch von Hugo Hartung – erschienen 1954 – bewegt auch jetzt noch mein Gemüt. Erst viel später fand ich den Mut, auch meine Geschichte zu erzählen.
Der Autor – im Buch Andreas genannt – ist schon in die Jahre gekommen und träumt noch oft von dieser Jugendbegegnung. Als Student fuhr er mit dem Schiff Richtung Budapest und fand Kontakt zur jungen, blonden Greta. In Budapest verbringt er mit dieser attraktiven Frau einen wundervollen Abend, bis ein spielwütiger Gitarrist die Romanze stört. Und er muss weiter nach Hódmezövásárhelykutasipuszta, sein Ferienziel, dort wird er als Gast einer Arztfamilie erwartet. Hier lernt er Piroschka, die 17-jährige Tochter des Bahnhofvorstandes kennen. Mit ihr erlebt er die ungarische Lebensfreude und den Zauber der Puszta. Greta hat Andreas nicht vergessen und wünscht sich ein Treffen, aber die verliebte Piroschka will nicht teilen und funkt unschuldsvoll dazwischen. Fast schon zu spät erkennt Andreas, dass auch er sich in Piri, so nennt er sie jetzt, verliebt hat – und im Traum hört er sie rufen: „Andy mach Signal“.
Ende der 1950er Jahre war ich selbst 18-jährig allein nach Jugoslawien gereist und ich erlebte dort eine letztlich unerfüllte Urlaubsliebe. Meine damaligen Tagebuchnotizen ruhten, bis ich in Pension ging. Erst dann hatte ich Mut und Zeit, als Autorin tätig zu sein.
Brieflich waren wir – Miro und Karin – noch bis 1960 in Kontakt. Miro war mit der jugoslawischen Marine auf allen Meeren unterwegs und so gab es lange Postwege. Seine Brieftexte endeten immer mit „Ich denke immer an dich“, daher wählte ich dies als Titel meines Buches.
Mein Buch wurde in einer Bücherliste wie folgt vorgestellt:
Die Aufzeichnungen spiegeln jugendliche Begeisterung und Romantik ebenso wider wie Jahrzehnte an Lebenserfahrung im Konflikt zwischen einem Zeitgeist, der die Wertordnung und Moral einer Gesellschaft bestimmt und dem Wunsch nach mehr Verständnis im Zusammenleben der Menschen.
Ich blättere im Buch und erinnere mich dabei an die Bootsfahrt zum Fischen. Da ruderten wir bis zum Ausgang der Bucht, bis sich das offene Meer vor uns auftat. Es glänzte weithin wie geschmolzenes Metall. Die Wellen sangen leise die eintönige Melodie der Unendlichkeit. Ziemlich weit draußen ließ Miro das Tau mit dem Anker hinab in die Meerestiefe. Am Bootsrand waren zwei Stangen mit einem Hacken und einem Glöckchen. Dort befestigte Miro eine Nylonleine mit einem Lot. Ein angebrachter Köder sollte den Fisch locken und das Glöckchen sollte bimmeln, wenn ein Fisch an der Leine zerrte.
So warteten wir, über uns der Himmel und um uns das Meer. Wir lachten uns zu und sprachen kaum etwas. Es war alles wunderschön und gut.
Ich denke:
„Manchmal meine ich, es war gar nichts – das mit Miro. Aber es ist wohl sehr viel gewesen.“
© Brigitta Hafner 2021-11-12