Das digitale Narrenschiff (Folge 1)

Ok ciao, du hast eine Narrenschiff-Kreuzfahrt gewonnen!! LG Torheit

Von der Torheit habe ich ja schon ewig nichts mehr gehört. Schon seit meiner ersten Story hier nicht mehr. Und jetzt kommt sie mir mit umweltschädlichen Lockangeboten. Dabei habe ich gar nicht an einem Preisausschreiben teilgenommen. Ich verschiebe die Mail in den Spam-Ordner. Doch die nächste folgt sogleich …

Herzlichen Glückwunsch! Du wirst zu einer exklusiven transnationalen Bildungsreise mit dem ökologisch innovativsten Friedensschiff eingeladen.

Das klingt doch schon besser. Und die Torheit kenne ich ja immerhin persönlich. Sie ist bekannt für ihre unseriösen Angebote, aber das klingt abenteuerlich. Und wer meine Geschichten Give Peace a Chance und Und – was machst du dann damit?! gelesen hat, müsste sich vorstellen können, was ich von der gegenwärtigen Weltlage gerade halte. Da ich zudem immer noch nicht weiß, was ich denn jetzt machen soll in dieser Welt, werde ich mich eben mit diversen friedfertigen Leuten aus aller Welt auf eine laaange Seefahrt begeben und hoffen, dass die Route zuverlässig an sämtlichen Kriegsschauplätzen vorbei steuert.

Die Torheit und ich verabreden daraufhin den Treffpunkt.

„Und, hast du seit unserem letzten Treffen auch viele törichte Storys verfasst? Na, dann schnell auf die Fähre, solange vom Bodensee noch was übrig ist“, begrüßt mich meine alte Bekannte.

„Ist das nicht ein bisschen umständlich, um ans Meer zu gelangen?“, frage ich argwöhnisch.

„Haha! Da gewinnst du eine Fahrt über den Bodensee und willst gleich eine Meerfahrt machen? Typisch moderne Torheiten, selbst wenn man den See haben kann, will man immer Meer …“, plappert sie auf mich ein.

„In deiner Mail stand aber was anderes! Und was heißt da gewonnen? Die Fähre ist sowieso in meinem Semesterticket inbegriffen!“

„Ach, aber man freut sich eben, wenn man überraschend was gewinnt! Selbst wenn man es gar nicht braucht. Warum in die Ferne schweifen, wenn die Lebenshaltungskosten hier schon so hoch sind, dass gar kein Geld mehr für den Urlaub übrig bleibt?“, sinniert die Torheit.

„Ja, aber in der Mail …“, erinnere ich sie an ihre großartigen Versprechungen.

„Hm, vielleicht hätte ich sie vor dem Abschicken doch lesen sollen?“, meint sie und grinst auch noch blöd.

Da es nun offensichtlich ist, dass es doch keine Weltreise werden wird, gebe ich mich mit den Umständen zufrieden und folge der quasselnden Torheit auf die Fähre. Gelassenheit ist eine wichtige Tugend. Aber warum kennt die Torheit den Inhalt ihrer eigenen Mail denn nicht?