Das Ding in meinem Kopf – Part 2

Barbara Slamanig-Pfund

von Barbara Slamanig-Pfund

Story

Dann die Diskussion mit den Ärzten: Wer war der Beste, um die weitere Vorgehensweise zu beurteilen? Wer hatte im Notfall die ruhigsten Hände, das beste Know-how? Und wer waren meine nächsten Angehörigen, nur für den Notfall?

Ich fuhr in die Universitätsklinik nach Innsbruck, dort gab es für den Notfall den besten Neurochirurgen, der sich genau mit dieser Art von Dingern im Kopf auskannte. Es würde eine heikle Operation werden, denn das Ding saß gefährlich nahe am Sehnerv.

Meine Schwester war gerade krank und konnte nicht kommen, aber ihr Mann kam. Er blieb sachlich und versuchte mich zu beruhigen, während ich fast zusammenbrach.

Nach weiteren Untersuchungen folgte ein Gespräch auf der Neurochirurgie. Neurochirurgie – allein das Wort versetzt mich in Panik! Der Spezialist war sehr freundlich und sein Rat eindeutig: Das Ding müsse so rasch wie möglich entfernt werden, bevor es meinen Sehnerv irreparabel beschädige, aber ob es herausoperiert werde oder nicht sei meine Entscheidung. Ich fällte sie sofort: So schnell wie möglich weg damit.

Aber wie sagte ich das den besten Kids der Welt? Zuerst einmal nahm ich einen Drink zur Beruhigung und ließ meinen Blick rundum über die Nordkette und den Patscherkofel schweifen. Dann informierte ich alle. Meine Familie und meine besten Freunde, diese Felsen in der Brandung der vergangenen Jahre, standen wieder tatkräftig hinter mir, besuchten mich, unterstützten mich, wo sie nur konnten.

Trotzdem überwältigten mich immer wieder Angst und Verzweiflung, sowie die Sehnsucht, mich zu verstecken und alles als Alptraum abzutun, zu verleugnen. Und ich sehnte mich jeden Tag aufs Neue nach Händen die mich führten und mich festhielten, wenn ich den Halt verlor, nach Armen, die mich umfingen, nach Worten, die mich aufrechthielten.

All das bekam ich von meinen Lieben und meine Dankbarkeit dafür gab mir die Wärme, um nicht an der Realität zu erfrieren. Ihre Begleitung bis zum Hinübergleiten in die Tiefen der Narkose und das Lächeln meines Engels Andrea direkt nach dem Aufwachen waren Geschenke des Lebens, die mit nichts aufzuwiegen waren.

Die Erleichterung, dass ich sehen konnte, war nicht nur für mich unbeschreiblich und den Stimmen meine Töchter aus dem Telefon konnte ich nur mit Tränen antworten.

Das Ding in meinem Kopf war gutartig gewesen. Meine Sehkraft kam langsam gänzlich zurück, mein Gehirn war jedoch noch ein halbes Jahr nach dem Eingriff so traumatisiert, dass ich nur selten zu strukturiertem Denken fähig war.

Aber ich wollte den Glauben nicht verlieren, dass ich das Trauma überwinden und zurück in ein Leben ohne Hurrikans im Kopf finden würde. Ich war dankbar für jeden klaren Moment und auch für die Fähigkeit, den Frühling draußen vor dem Fenster in seiner Pracht sehen zu können. Auch wenn der Paterscherkofel gerade mal wieder tief verschneit war, im Mai.

© Barbara Slamanig-Pfund 2019-06-22

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