Das Elend mit den alten Sachen.

Reinhard Pape

von Reinhard Pape

Story

Meine Frau hat schon immer Porzellan geliebt, so haben sich über Jahrzehnte kostbare Kaffee und Essgeschirre , immer für 12 Personen, in den Schränken angesammelt, gegen die wir jetzt „ankämpfen“. Wann kommen mal 12 Gäste auf einmal zu Besuch – selten, erst recht, wenn die Kinder mit ihren Familien im Bundesgebiet verteilt wohnen. – Um dennoch alles erneut zu beleben, benützen wir die kostbarsten Tassen jetzt im ganz normalen Alltag. Stille Freude und stilvoller Genuss! – Es scheint ein Generationenproblem zu sein, die Kinder bevorzugen eher den immer wieder austauschbaren Set von Ikea, statt die stilvolle Wertarbeit. Man sieht es ja auch daran, dass in unserer Stadt fast alle Porzellangeschäfte mittlerweile geschlossen sind.

Da wir uns irgendwann wohnungsmäßig verkleinern wollen, haben wir jetzt damit begonnen, ein französisches Geschirr St. Clément über E-Bay Kleinanzeigen anzubieten. Die Tassen und Teller haben einmal 3000 DM gekostet, jetzt fangen wir an, den ganzen Set für 300€ anzubieten. Die Anzeige steht wochenlang erfolglos im Netz, dann meldet sich doch eine Liebhaberin und wir kommen mit einer Teillieferung gut ins Geschäft. Euro ist Euro – aber die Verpackerei und das ganze Drumherum kann man nur überstehen mit dem Gedanken, dass sonst eh‘ alles bei einem Trödel-Händler landet, bei dem man sich noch für die Abnahme bedanken muß. Wenn Interessenten für z.B. drei große Salatschüsseln, die wir für 30€ angeboten haben, dann das Ganze für 10€ haben wollen, kommt man schon zu der Ansicht, lieber spende ich alles bei Oxfam, statt mich so zu „erniedrigen“. Der alte Grundsatz, dass nach einem Geschäft noch beide Seiten sich im Spiegel wiedererkennen sollten, hat schon was. – Gestern haben wir eine zweite Ladung in eine nahe Nachbarstadt transportiert. Während wir mit 74/72 versuchen, uns zu reduzieren, kauft dort eine 79jährige munter weiter ein und stockt ihren Bestand mit unserer Hilfe auf. Warum nicht – am Ende zählt nur, dass jeder nach seiner Façon selig wird. Denk ich an meinen Vater, der mit 75 noch zum Essener Caravansalon gefahren ist und sich einen neuen Caravan gekauft hat, ist alles möglich.

Wir haben ein altes Ölgemälde aus dem 17. Jahrhundert mit einem wunderbaren Barockrahmen an der Wand hängen. Auf die Anfrage einer Vermittlung kommentiert ein Kunsthändler: „Wer will sich denn schon eine fremde Dame an die Wand hängen?!“ – Tja, man muss der Realität ins Auge blicken, Altes findet nur schwer eine neue Heimat von dem ‚Erfolg der TV-Sendung „Bares für Rares“ offensichtlich ganz abgesehen.

Am Ende kommt man zu der kichernden Bemerkung der verstorbenen Mutter, die unkte, dass wir nach ihrem Ableben eh‘ alles in den Container schmeissen würden. Ganz so ist es nicht geschehen. Möbel haben wir noch versucht, der Diakonie zu übergeben – aber die Sichtung der unzähligen Dias war schon ein Problem. Am Ende bleibt die Einsicht: Jedes Ding hat seine Zeit – freu‘ Dich über jeden Tag und nutze den Augenblick!

© Reinhard Pape 2020-07-22