von Natascha Tez
Kapitel 6 – Everybody’s Darling
Die Katze meiner Mitbewohnerin krabbelte zu mir ins Bett, als würde sie den unangenehmen Prozess spüren. Plötzlich war ich heilfroh, dass mich der Krankenwagen mit einer Packung Kopfschmerztabletten direkt vor meiner Haustür abgesetzt hatte. Ich wollte gerade nämlich nirgendwo anders sein. Eigentlich hätte ich auch keinen Sanitäter gebraucht, aber woher sollten Zivilisten das schon wissen. Nein, die Leute im Kino hatten alles richtig gemacht. Immer noch benommen von der Vision streichelte ich über das lange, schwarz gescheckte Fell von Darling. Sie schnurrte und vibrierte auf meinem Arm. Ihre schlichte Suche nach Nähe beruhigte mich. Ein unerträglich heller Lichtpegel füllte mein von wohliger Dunkelheit umhülltes Zimmer. Mirei trug ein Tablett mit dampfendem Tee, eine Packung Bepanthen und Popcorn hinein. Sie sagte nicht viel, wir verstanden uns auch ohne Worte. Das Popcorn hatte sie frisch aus dem Kino geholt. Außerdem war ihr schon klar gewesen, dass ich bei all dem Trubel vergessen hatte, mein frisches Tattoo zu pflegen. Und der Tee? Ich musste runterkommen, denn trotz Erschöpfung würde ich heute Nacht wohl erst ein Auge zu kriegen, wenn die Gedankenströme all meine Energie verbraucht hatten.
Nachdem alles abgestellt war, schaltete sie den Fernseher ein.
„Eine Folge Buffy?“, fragte Mirei, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Ich nickte und nippte vorsichtig an dem viel zu heißen Tee. Dabei achtete ich akribisch darauf, keinen Tropfen auf Darling zu verteilen, auch wenn ich dabei meinen Gaumen verbrannte. Als das Licht im Flur ausgeschaltet war, kuschelte sich Mirei mitsamt Popcorn neben mich ins Bett. Ihrem Namen alle Ehre machend war Darling natürlich Everybody‘s Darling. Sobald Mirei ihren Kopf an meiner Schulter abgelegt hatte, breitete sich die Katze quer über uns beiden aus, um gleich doppelte Streicheleinheiten zu genießen. Obwohl ich in diesem Moment immer noch eine unendliche Schwere in meiner Brust trug, kam ich nicht um den Gedanken drumherum, dass ein Kinoabend zu zweit doch nicht so schlecht war, wie ich immer behauptete.
© Natascha Tez 2022-08-30