von PoeSy
Ich kenne sie gut, die Wehmut, die mich (mit zunehmendem Alter) stets durch die letzten Sommerwochen begleitet. Ein Ziehen in der Herzregion macht mich darauf aufmerksam: Das Leben ist endlich! Gedanken zulassen über das Leben, das stets ein Kommen und Gehen, ein Geben und Nehmen bedeutet. Dankbarkeit für ganz viel Gutes und Schönes wird gedämpft durch Trauer und Enttäuschungen, aber alles hat mein bisheriges Leben ausgemacht. Es gab sie natürlich, die Erfahrungen wie Krankheit, Tod und Verlust. Viel zu oft verdränge auch ich, dass das Leben mit dem Tod endet. Immer! Ausnahmslos! Vorher wirklich zu „leben“, wäre also erstrebenswert.
Ich bin froh, dass die anstrengende Hitze endlich vorbei ist. Jetzt kann ich Sonne und Wärme genießen und die Farben, die es in der Natur noch einmal so richtig bunt treiben, aufnehmen. Langsamkeit und Ruhe lösen das schrille, laute Tun ab. Die Tage werden kürzer, die Nächte kühler – der Herbst sendet erste Grüße! Aber ich erkenne sehr viel Schönheit auch im Verblühen. Für mich liegt viel Sinn im “Zur-Ruhe-Kommen”. Es braucht Mut fürs Loslassen und Zulassen, aber keine Angst! Eine Inventur meiner Gedankenwelt klärt vielleicht, was noch fehlt und was stimmig ist und gut war. Ist da noch etwas, das unbedingt erledigt werden muss, weil es mir wichtig ist? Wird etwas bleiben, wenn mein Leben ausgelebt sein wird? Was – wünsche ich mir – soll bleiben, für wen, und warum?
Mich überfällt ein Gefühl von Alleinsamkeit. Sollte wohl so sein, dass ich die letzte Etappe meines Weges alleine gehen werde, das tut weh. Nicht, dass da keine Menschen wären, die mir wichtig sind, aber ich will kein 5. Rad sein, mich nicht aufdrängen. Es ist mein Sein, so zu sein und ich lerne täglich dazu, wie sich’s ohne Familie lebt. Niemand hat Schuld, dass es ist wie es ist – dennoch hadere ich ab und zu ordentlich mit meinem Schicksal. Dann kostet es mich enorme Kraft, mein Selbstmitleid zwar an- und wahrzunehmen, es aber auch wieder loszulassen und mir selbst wieder Mut und Hoffnung zu machen. Eine handvoll Menschen sind’s, die (meistens) da sind, wenn es für mich “eng” wird. Der große Rest: oberflächlich! „Es ist unmöglich, mit oberflächlichen Menschen ein tiefsinniges Gespräch zu führen!“, hab ich einmal irgendwo gelesen. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen, vermutlich sind einige Menschen so sehr mit dem eigenen Leben beschäftigt, dass darin kein Platz für andere bleibt. Ich habe Verständnis dafür, dass Familie, Sport und Spaß Priorität haben, und dass Egoismus bequemer ist, als mit mir über “echte” Probleme zu reden oder über den großen Schmerz unserer Erde zu diskutieren. Schön wär´s trotzdem! Verdrängen ist aber viel einfacher, als die Realität des Lebens anzunehmen – und vielleicht auch noch zu erfahren, dass es mit mir auch oft etwas zum Lachen gibt!
Der nahe Herbst erschwert zwanglose Begegnungen zusätzlich und mir wird klar, dass man frühzeitig wissen muss, was man ernten will, um die richtigen Samen zu säen. Nicht einfach…
© PoeSy 2022-08-28