Das erste Mal – Italien

Christine Sollerer-Schnaiter

von Christine Sollerer-Schnaiter

Story
Sorrent 1973

Italien ist das Sehnsuchtsland schlechthin: blauer Himmel, blaues Meer, Azurro, Dolce Vita, Sole Sole und schwarzhaarige, braunäugige Italiener. Als ich das erste Mal das alles erlebte, war ich 26 Jahre und frisch verlobt. Und dann gleich Sorrento am Golf von Neapel – der besungenste und angeblich schönste Teil Italiens. Die Schwester meines Verlobten war in Sorrent verheiratet und arbeitete als Reiseleiterin, so wie auch ihr süditalienischer Mann. Wir waren eingeladen bei ihnen zu wohnen – mitten in Sorrent – Italien pur. Viele Geschichten über unerträgliche Hitze, Wassermangel, ausgeraubt werden und ähnliches geisterten durch die Zeit der Vorbereitung. Und wir bereiteten uns vor – wochenlang. Zuerst die Ausstattung: ein gestreiftes Ruderleiberl und weiße Jeans für Heinz, ein Hauch von einem Trägerkleidchen – mini und weit schwingend mit Blumenmuster für mich. So machten wir uns auf den Weg. Bikini, Sonnenbrille und Sonnenhut nicht zu vergessen. Sonnenöl war damals noch nicht so wichtig – aus Unwissenheit, Geldmangel und hoffentlich weniger Ozonlöcher. Wie auch immer, wir kamen ohne Sonnenbrand davon.

Stundenlang ratterten wir im Zug durch Italien – Herz und Kopf voller Vorfreude auf Palmen und Meer, auf Pizza, Pasta und Gelati. Wir schreiben das Jahr 1973 und diese Genüsse hatten bei uns in Tirol noch wenig Eingang gefunden. Es gab tatsächlich noch kaum Pizzerias und Gelaterias und wenn, konnten wir es uns nicht leisten. Spaghetti kamen zu Hause patzig weichgekocht auf den Tisch mit undefinierbarer Tomatenmarksauce – vielleicht ein bisschen Wurst hineingeschnitten. – Trotzdem gut!

Ein paar Brocken Italienisch hatten wir auch im Gepäck, begleitet von der Illusion, zusätzlich mit Latein über die Runden zu kommen. Da und dort war es tatsächlich hilfreich im Wortstamm mit angefügter O-Silbe. Wir wähnten uns auf den Spuren des Gedichts von Johann Wolfgang von Goethe – Mignon. Es gehört zu den berühmtesten Gedichten deutscher Sprache und besingt die unter Nordländern verbreitete Italiensehnsucht:

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,

Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?

Kennst du es wohl? Dahin!

Dahin möcht’ ich mit dir,

O mein Geliebter, ziehn.

Dahin, immer wieder dahin – möcht‘ ich ziehn. Wir waren noch zweimal in Sorrent und einigen anderen Orten in Süditalien und es war immer fast so wie das erste Mal. Der Zauber, den bereits das Wort Italia verbreitet, ist unvergänglich. Der Süden, das Meer, das sonnendurchflutete Leben sind überall schön auf der Welt, aber die Mischung aus Leichtigkeit und Lebenslust der Menschen, antike Stätten, landschaftliche Schönheit und gutes Essen ist einfach ‚Italia – Italiae‘, wie es in einem Volkslied besungen wird.

© Christine Sollerer-Schnaiter 2024-05-01

Genres
Romane & Erzählungen, Reise
Stimmung
Emotional, Informativ, Inspirierend, Unbeschwert, Entspannend