Das fünfte Rad am Wagen

Sabine Schlager

von Sabine Schlager

Story

Das fünfte Rad am Wagen

„Dein Vater hat gesagt, es würde verliebten Pärchen Glück bringen, über die Feuerstelle zu springen“, hast du angesichts der züngelnden Flammen sinniert. „Sie wollen doch nicht etwa, Mr. Darcey?“ „Ich bin Reardon, nicht Mr. Darcey für dich, okay“. Du hast mir dabei tief in die Augen geblickt und behauptet, jederzeit mit mir über das Feuer springen zu wollen. Theoretisch hätte ich es vermutlich gerne getan aber praktisch? „Ich bin Sportler, ich springe gut und hoch“, hast du mich lachend wissen lassen. „Ich bin Künstlerin und im Sport mies“, argumentierte ich zerknirscht. „Das ergänzt sich doch, Meg“, hast du mich ob meiner Schwächen getröstet. Außerdem wüsstest du, dass meine Schwester und ich sehr wohl sportlich wären. Wir würden reiten, skaten, Radfahren, ab und zu mit Freunden sogar Fußball und Tennis spielen. Du hast uns demnach bei der Ausübung all dieser Tätigkeiten irgendwann in unserem Leben wahrgenommen. „Du bist keinesfalls die lahme Ente, für die du dich bisweilen hältst.“

Wie beiläufig hast du mir Komplimente für mein Aussehen gemacht. So würde ich in dem rot-blau karierten Kilt und der weißen Rüschenbluse zum Anbeißen ausschauen. „Keine trägt den Kilt wie du!“ Das war zwar Quatsch, aber es schmeichelte mir. Wir saßen noch eine Weile zusammen und kehrten zum Tisch zurück, ehe ich vermisst werden würde. Du hast dich wie selbstverständlich zu mir gesetzt, wo ich dich meinen Freundinnen vorgestellt habe. Erin und Eleonore wollten sich von mir verabschieden. Eleonore musste nach Hause zu Mann und Kind. Weil sie keinen Shuttle-Service in Anspruch nehmen wollte, fuhr Erin sie. „Das Mindeste was ich tun kann“, hatte sie argumentiert und mir zugeflüstert, dass mir auch ohne sie bestimmt nicht langweilig werden würde. Tilly gab vor, müde zu sein. Sie mochte dich nicht besonders, sah dich als Konkurrenz für ihren Mann im Job und zog es daher vor, heimzugehen. Lief da grade was mega schief?

Mom wollte noch bleiben und musste mich erst gar nicht nach meinen Wünschen fragen. Rorys Blicke wanderten zwischen mir und dir hin und her, so wie wir nebeneinandersaßen. Er sah seine Felle endgültig davonschwimmen. „Da sprühen ja die Funken!“, hatte er spontan ausgerufen und er hatte völlig recht. Ich konnte es nicht verbergen. Denn als hätte mich der Zauberstab berührt, ließ ich es zu, dass du meine Hand gestreichelt und mir immer wieder verschwörerisch zugezwinkert hast. Wir bildeten eine Einheit und nahmen nur uns wahr. Ich suchte deine Nähe und so tasteten meine Finger nach deiner Hand, die auf der Tischplatte lag. Sacht berührte ich die Haare auf dem Handrücken, als ein plötzlicher Zornesausbruch dieses Idyll abrupt zerstörte und uns zusammenzucken ließ. Sofort wichen wir beide voneinander ab, als hätten wir ein Verbot überschritten. „Darf man wissen, was das soll? Willst du mich zum Idioten machen?“ Dad ging nicht auf mich los, sondern direkt auf Mom, was mir unbegreiflich war. Er verkannte die Situation und dachte, du wärst mit ihr auf Kuschelkurs. Du bist erschrocken aufgestanden, wolltest Mom verteidigen und ihre Unschuld betonen, doch Dad schrie dich unflätig an: „Du hältst dich da raus! Das ist eine Familienangelegenheit! Erspar dir Ärger, Reardon und geh!“

© Sabine Schlager 2025-02-18

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Emotional
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