Das funktioniert nicht

Nina Burian

von Nina Burian

Story

Matura geschafft – was nun? Gehst halt Studieren sagte man mir. Nagut, also schrieb ich mich ohne Plan fĂŒr FĂ€cher ein, die mich interessierten. Vergleichende Literaturwissenschaft und evangelische Fachtheologie. Dabei bin ich nicht mal glĂ€ubig. Was macht man mit diesen Studien, fragst du dich? Genau, ich weiß es auch nicht.

Im Unialltag fand ich mich nicht zurecht, fĂŒhlte mich fehl am Platz. Ich brach ab. Ein Jahr spĂ€ter ein neuer Versuch mit anderen FĂ€chern. Aber wieder fĂŒhle ich mich wie ein Hochstapler. Hier gehörte ich nicht hin.

Dann hatte die Stiefmama eine tolle Idee. In der Buchhandlung Frick suchen sie jemanden, eine Lehre kannst du dort machen und du liebst doch BĂŒcher. Mit BĂŒchern arbeiten? Das geht? Echt? HA! TschĂŒss Uni. Saryonara. Mich siehst du nie wieder!

2 Jahre Lehre, alles lief prĂ€chtig. Der Job machte Spaß, die Berufsschule war easy. Ich fĂŒhlte mich super.

Eines Tages wurden mein Berufsschulkollege Paul und ich vom Standard interviewt, warum wir denn mit Matura noch eine BuchhĂ€ndlerlehre angefangen haben. In der Berufsschulbuchhandlung standen wir etwas eingeschĂŒchtert vor der Journalistin, jeder mit einem Buch vorm Bauch und stotterten ĂŒber unsere gescheiterten Studienversuche. Die Überschrift damals: „Uni und ich – das funktioniert nicht“

Vor der LehrabschlussprĂŒfung kam ich aber erneut ins GrĂŒbeln. Möchte ich wirklich die nĂ€chsten 40 Jahre im Verkauf stehen? Mich mit den grantigen Gsichtern rumschlagen, wenn mal ein Exemplar vom „Baul Tschello“, wie Paulo Coelho oft verhunzt wurde, nicht lagernd war? Wieder dieser nagende Schmerz in meinem Bauch.

Dann entdeckte ich das Studium Buchwissenschaft an der MĂŒnchner LMU. Pfau, das war was. Lese- und Buchmarktforschung, Marketing im Buchhandel und E-Publishing waren nur ein paar der Themen, die man dort lernte. Ich wusste, das will ich machen!

Beim nĂ€chsten Berufsschultag wippte ich aufgeregt vor Paul vor und zurĂŒck: „Du, ich werd dieses Jahr nach MĂŒnchen ziehen und Buchwissenschaft studieren.“ Ich knetete meine Finger. Da gaben wir erst vor ein paar Wochen ein Interview, dass sowas von Anti-Uni war und ich treulose Tomate wollte es nochmal versuchen. Doch das Leben hĂ€lt viele Überraschungen bereit. Denn Paul lachte: „Geh‘ hör auf! Ich auch!“ – Wie sagt man in Wien so schön? Ich hab mein Leben nicht gepackt!

Uns war schnell klar, dass wir in MĂŒnchen nicht nur studieren, sondern auch gemeinsam wohnen wollten. So folgten 4 aufregende Jahre, in denen wir die Nachbarn regelmĂ€ĂŸig mit nĂ€chtlichen Austropop Einlagen zwangsbeglĂŒckten. Wo wir auf Verlagspartys bis zum Morgengrauen tanzten. In denen zur Oktoberfestzeit unsere Wohnung einem Asylantenheim fĂŒr angeduselte Österreicher glich. Wo wir die schönen Sommertage an der Isar chillten. Und in denen wir einmal einen unserer Dozenten unter den Tisch tranken. Achja, auf die Uni gingen wir auch. Manchmal.

Das Studium habe ich ĂŒbrigens erfolgreich abgeschlossen. Uni und ich, das war wohl doch was.

© Nina Burian 2021-06-17