Das geheime Lachen

Es begann im Unterricht. Immer wenn die Lehrerin den Rücken zudrehte, hörte Emilia ein Kichern. Kein normales Schülerlachen, sondern ein glockenhelles, fast magisches Geräusch. Sie drehte sich um – doch niemand reagierte. „Ich werd verrückt“, murmelte sie.

Am nächsten Tag wieder. Und am übernächsten. Bis sie merkte: das Lachen kam immer dann, wenn sie traurig war oder sich ausgeschlossen fühlte. Eines Abends saß sie allein in ihrem Zimmer, Tränen liefen über ihr Gesicht – da hörte sie das Lachen direkt hinter sich. Sie drehte sich um. Und sah ein kleines Mädchen mit leuchtenden Augen.

„Wer bist du?“ – „Dein vergessenes Ich.“ Das Mädchen grinste breit. „Früher hast du immer so gelacht, wenn du Schmetterlingen nachgejagt bist oder wenn du im Regen getanzt hast. Aber dann hast du aufgehört. Ich bin geblieben.“

Emilia traute ihren Ohren nicht. „Und warum zeigst du dich jetzt?“ – „Weil du mich brauchst. Dein Herz ist zu schwer geworden.“ Das Mädchen nahm ihre Hand, und Emilia fühlte eine Wärme, die sie seit Jahren nicht mehr gespürt hatte.

Am nächsten Tag lachte sie plötzlich im Unterricht laut los, ohne Grund. Alle starrten sie an – und Emilia lachte weiter. Zum ersten Mal war es ihr egal, was die anderen dachten.

Als sie nach Hause kam, war das kleine Mädchen verschwunden. Aber ihr Lachen war geblieben.