von Sheila
Schwere Tropfen prasselten auf sie nieder. Wie blaue Perlen stürzten sie vom Himmel, sammelten sich als Pfütze zu ihren Füßen. Es regnete in langen Silberfäden, die der Wind hin und her wehte, wie einen Vorhang aus nassen Schnüren. Sie legten sich um ihre Schultern und wurden in einzelne Tropfen zerteilten. Ihr roter Mantel spiegelt sich im vom Wind gekräuselten Wasser. Verschwommene Farben trieben durch das dunstige grau der Regenpfütze. Sie tanzte lautlos durch die Straßen, erfreute sich am frischen Geruch der Luft. Die ausgestreckten Arme schwebte über ihrem Kopf, reckten sich den grauen Wolken entgegen. Ihre Wimpern waren schwer von den Tropfen, die zwischen ihnen zitterten. Eine feuchte Brise küsste ihr Haar.
Lustig plantschten ihre Gummistiefel im Wasser, lange Spritzer übersäten die Straße, die der Regen dunkel färbte. Der Gullydeckel gab ein glucksendes Geräusch von sich, als sie mit beiden Füßen darauf sprang. Kurz verlor sie das Gleichgewicht, lachte. Mit ihren kleinen Händen griff sie um sich, versuchte mit bloßen Fingern den Regen zu fangen. “Wo die Tropfen wohl herkommen?”, dachte sie bei sich und betrachtete die schimmernden Punkte, die sich rasch ausdehnten und an ihrem Handballen hinabflossen. “Vielleicht weint dort oben jemand ganz fürchterlich, weil seine schönen Wolken heute so dunkel sind? Oder er hat einen Eimer voller Wasser verschüttet, als er die graue Farbe von ihnen abwaschen wollte“ Sie kicherte und hüpfte weiter. “Noch etwas fällt mir ein. Vielleicht sind die Wolken voll mit Wasser und jemand dort oben springt darauf herum, wie ich es manchmal auf dem Bett tue. Ob er dafür auch Ärger bekommt? Oder Frau Holle war langweilig, immer nur Schnee und nie etwas anderes. Bestimmt wollte sie es auch einmal regnen lassen. Nein, warte, jetzt weiß ich es! Regentropfen sind in Wahrheit kleine Feen, die auf die Erde kommen, weil sie mit mir spielen wollen.“ Und sie sprang und tanzte, um den Feen zu zeigen, dass ihr das Spiel gefiel.
Frischer Wind trieb die Tropfen vor sich her, peitschte feuchte Strähnen in ihr Blickfeld. Immer stärker wurden die Böen, immer kräftiger zogen und zerrten sie an ihrem Regenmantel und ließen die Kapuze flattern. Der Sog schien von allen Seiten zu kommen, umwirbelte ihre Arme und Beine. Ihr Lachen wurde vom Wind davongeblasen, doch es erlosch nicht. Ein Stiefel löste sich von dem zierlichen Fuß und wurde außer Sicht gewirbelt. Langsam erhob sie sich in die Luft. Getragen von Wind und Regen flog sie, flog zum Himmel hin, dem Geheimniss der Regentropfen entgegen.
© Sheila 2021-06-16