von Carina Senger
Mein erster Besuch im Louvre war ein ziemliches Desaster. Zuerst mussten wir ewig anstehen. Danach übertönten unsere knurrenden Mägen jeden Gedanken an Mona Lisa und Co. Kurzentschlossen liefen wir zu dem Café neben dem Souvenirshop und stärkten uns mit einer Tasse Kaffee und einem belegten Bagel. Danach waren wir bereit für eine ausgiebige Besichtigungstour. Doch während wir uns noch suchend umsahen, trat ein Wachmann auf uns zu. Höflich, aber bestimmt forderte er uns auf das Museum zu verlassen, weil es in einer halben Stunde schließen würde.
Bei meinem zweiten Besuch kam ich im Rahmen einer Führung meiner Au-pair-Organisation in den Louvre. Zu meiner Enttäuschung erklärte die Führerin direkt zu Beginn, dass die Mona Lisa nicht auf unserem Programm stünde.
„Die meisten Touristen rennen nur zur Mona Lisa und stürmen dann aus dem Saal. Dabei ist das gegenüberliegende Gemälde ein echtes Meisterwerk“, schwärmte sie. Danach führte sie uns zu unserer ersten Station: den Grundmauern der mittelalterlichen Louvreburg. Uns fiel auf, dass in einige Steinquader ein Herz gemeißelt war. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine versteckte Liebeserklärung, sondern um die „Unterschrift“ des Steinmetzes. Denn damals wurden die Steinmetze pro beschlagenem Stein bezahlt. Als Nachweis meißelten sie ein charakteristisches Symbol in die von ihnen bearbeiteten Steine. Beim Vorbeigehen an einer schmalen Treppe erwähnte unsere Führerin beiläufig, dass damals noch niemand das repräsentative Potenzial breiter Treppen erkannt hatte.
Wir bekamen auch unfassbar viele Informationen über italienische, französische und flämischen Maler, von denen ich das meiste aber sofort wieder vergaß. Was ich mir hingegen merkte, war die Erklärung, warum der Eingang zum Louvre aus einer Glaspyramide bestand: Der Louvre besaß eine riesige Abteilung über das antike Ägypten, die er Napoleons Ägyptenfeldzug verdankte. Um dieser Tatsache Ausdruck zu verleihen, bekam der Eingang die Form der berühmten ägyptischen Pyramiden.
Unsere Tour endete in der Galerie Medici, die aus einer Serie monumentaler Gemälde von Rubens bestand. Ein würdiger Abschluss, aber bei meinem dritten Besuch steuerte ich direkt auf den Ausstellungssaal der Mona Lisa zu. Obwohl ich vorgewarnt worden war, überraschte es mit, dass sie so klein war. Unzählige Touristen drängelten sich neben mich. Der gelangweilte Wachmann ermahnte sie alle paar Minuten, dass das Fotografieren mit Blitzlicht nicht gestattet war.
Nachdem sie die Mona Lisa ausgiebig betrachtet und aus jedem erdenklichen Winkel fotografiert hatten, verließen die anderen Touristen laut schwatzend den Saal. Ich wollte es ihnen schon gleich tun, aber dann erinnerte ich mich an die Worte der Führerin. Ich drehte mich um und betrachtete das gegenüberliegende Gemälde: „Die Hochzeit zu Kana“ von Veronese. Das größte Bild, das der Louvre zu bieten hatte und damit quasi der Blockbuster unter den Gemälden.
© Carina Senger 2021-05-29