von Flaco
die hauptstadt venezuelas, caracas, liegt auf einer hochebene, umgeben von bis zu 2700 meter hohen bergen. einer der höchsten gipfel ist „el avila“. seine südlichen ausläufer sind überwuchert von den“ranchos“, armenviertel, die aus tausenden illegal erbauten, mehr oder weniger rechteckigen, bunten häuschen bestehen, die wild durcheinandergewürfelt und übereinander gestapelt einen etwa zwanzig kilometer breiten gürtel um die stadt bilden.
als ich das erste mal nachts am weg vom flughafen in die stadt durch die „ranchos“ fuhr, fand ich das lichtermeer sogar romantisch, was bei den mitfahrern auf wenig verständnis stieß, da sie alle schon persönliche erfahrungen mit dem umstand gemacht hatten, dass die gegend schon damals unzweifelhaft zu den gefährlichsten der erde zählte, in die sich selbst die policia nur per hubschrauber wagte.
das gebiet auf der autobahn zu durqueren war fast sowas wie ungefährlich. von autopannen wurde jedoch dringend abgeraten. die chance war groß, von einem zehnjährigen in den rücken geschossen zu werden, weil er sich vom erlös des verkaufes deiner sportschuhe eine ganze woche lang mit „bazuko“ versorgen konnte. eine droge die in den armenvierteln kursierte, ein abfallprodukt der kokainproduktion, das zum größten teil aus hoch gesundheitsschädigenden lösungsmitteln besteht und das gehirn zu brei zerstampft. wo gangs herrschen, die schwer bewaffnet ihre barrios verteidigen müssen und die lebenserwartung nicht halb so hoch ist wie auf der anderen seite der stadt im „country club“.
im gegensatz dazu ist die nordseite des avila überwuchert von dichtem regenwald, der bis an die küste reicht. über hundert kilometer der cordilliere erstreckt sich der nationalpark „guaraira repano“, was in der sprache der ureinwohner, der taromaima indios, wenig überraschend „die großen berge“ bedeutet. ein paradies, wo die surfer an der karibikküste ihrem speziellen lebensstil fröhnen und reiche caraquenos gerne mit „pampero“ rum und lauter musik feiernd ihre wochenenden am strand verbringen.
hinter palmengesäumten bilderbuchstränden steigen die steilen hänge des avila massives an, von dichtem regenwald bewachsen, der eine artenvielfalt aufweist, die atemberaubend ist, blumen in allen farben, duftende orchideen, stinkende rafflesien, deren blüten bis zu einem meter durchmesser erreichen, meterhohe dilandsien, die sich an riesenbäumen emporschlingen, zahllose heil- und giftpflanzen, deren dosierter einsatz schamanische rituale beflügelt.
vögel jeder farbe und größe, von winzigen kolibris über lärmende schwärme von papageien, tukane und aras bis zum könig kondor. giftige frösche, schlangen, vogelspinnen, bunte tausendfüssler, deren stiche immer wieder kindern das leben kosten, und horden von affen, die in 30 metern höhe durch das grüne dach turnen.
so gegensätzlich die seiten des avila auch sind, beide regiert das „gesetz des dschungels“.
© Flaco 2019-04-11